IN DIESER REIHE
Wer Gott sucht, der findet Freude
Begegnung mit Augustinus
Leidenschaft des Glaubens
Begegnung mit Blaise Pascal
Mit unsrer Macht ist nichts getan
Begegnung mit Martin Luther
Leben kann man nur vorwärts
Begegnung mit Sören Kierkegaard
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INHALT
- Einleitung – 4
- Das „Memorial“ – 9
- Leidenschaft – 19
- Glaube – 25
- Verstand – 37
- Beobachtungen – 49
- Krankheit – 59
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EINLEITUNG
- Als Blaise Pascal 1662 im Alter von 39 Jahren
- starb, hatte er sich bereits als Mathematiker
- und Naturwissenschaftler einen Namen gemacht. Aus
- seinen Forschungen zur Wahrscheinlichkeitsrech-
- nung war ein ganz neuer Zweig der Mathematik
- entstanden. Er hatte das Gesetz der kommunizieren-
- den Röhren entdeckt und mit Hilfe eines Barometers
- nachgewiesen, dass der Luftdruck bei steigender
- Höhe abnimmt. Außerdem hatte er die erste Rechen-
- maschine entwickelt, die tatsächlich funktionierte.
- Das geistliche Leben Pascals dagegen lag weitge-
- hend im Dunkeln. Seine polemischen „Provinzial-
- briefe“ hatten zwar beträchtliches Aufsehen erregt,
- waren aber anonym verfasst. In ihnen hatte er einen
- Freund verteidigt, den man der Häresie bezichtigte.
- Und sein größtes Werk, die „Gedanken“, waren zu
- seinen Lebzeiten noch nicht erschienen.
- Heute ist Pascals wissenschaftliches Werk großen-
- teils in Vergessenheit geraten. Schüler lernen viel-
- leicht noch das „Pascalsche Dreieck“ im Mathe-
- matikunterricht, und in der Physik dient das „Hek-
- topascal“ als Maßeinheit für den Luftdruck. Als
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- christlicher Denker und Religionsphilosoph blieb
- Pascal jedoch weit über seine Zeit hinaus bekannt.
- Seine scharfsinnigen theologisch-philosophischen
- Schriften werden gleichermaßen von römisch-
- katholischen und evangelischen Christen geschätzt.
Das Genie
- Blaise Pascal wurde am 19. Juni 1623 in Clermond-
- Ferrand als Sohn eines Steuerbeamten geboren; die
- Mutter starb, als der Junge drei Jahre alt war. Der
- Vater kümmerte sich um die Erziehung seiner drei
- begabten Kinder. Mit zwölf Jahren entdeckte Blaise
- für sich noch einmal die mathematischen Sätze des
- Euklid.
- Obwohl er sowohl mütterliche Zuwendung als auch
- die Freundschaft mit anderen Jungen entbehren
- musste, war Blaise seelisch und körperlich sehr emp-
- findsam. Häufige depressive Anfälle ließen ihn
- jedoch verkrampft und gehemmt wirken. So zeigte
- er sich einmal schockiert, als er sah, wie seine ältere
- Schwester Gilberte ihre Kinder umarmte und küsste.
- Nach eigenen Zeugnissen fühlte er sich fast immer
- krank und war oft ans Bett gefesselt.
- Mit siebzehn Jahren veröffentlichte Pascal seine
- erste mathematische Arbeit, eine Abhandlung über
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- die Kegelschnitte. Sie rief Bewunderung unter den
- Fachwissenschaftlern hervor. Pascal galt als mathe-
- matisches Genie. In den folgenden sechs Jahren
- widmete er sich weiterhin der wissenschaftlichen
- Forschung.
Gewißheit
- Die Familie Pascal war fromm, besuchte sonntags
- die Messe und beachtete die Fastenvorschriften.
- Aber wie Blaise später zugab – sein Glaube blieb
- leidenschaftslos und ohne Auswirkung auf den All-
- tag. Erst im Jahre 1646 bekam Pascal Kontakt zu
- einer besonderen religiösen Gruppe, den Janseni-
- sten, die seinen weiteren Lebensweg sehr stark
- beeinflußte.
- Die Jansenisten, benannt nach ihrem Gründer C.
- Jansen, waren eine Reformbewegung innerhalb der
- katholischen Kirche Frankreichs des 17. und 18.
- Jahrhunderts. Im Mittelpunkt ihrer Lehre stand die
- Verderbtheit des menschlichen Willens, der nur
- durch die göttliche Gnade erlöst werden kann. Man
- betonte die Notwendigkeit einer persönlichen Bezie-
- hung zu Gott und erwartete, dass jeder Gläubige aus
- Dankbarkeit fortan alle Kräfte in den Dienst Gottes
- stellte. Eine fast schon „evangelische“ Position.
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- Blaise Pascal fühlte sich von solch einem persön-
- lichen Glauben stark angesprochen. Weiterhin
- arbeitete er für die Wissenschaft, aber zwischen-
- durch verbrachte er viel Zeit in dem Pariser Kloster
- Port Royal , dem Zentrum des Jansenismus. Den-
- noch konnte er acht Jahre lang keinen inneren
- Frieden finden, ständig auf der Suche nach persön-
- licher Glaubensgewissheit. Dann endlich, in der
- Nacht des 23. November 1654, wurde ihm – von
- höchsten Glücksgefühlen begleitet- eine geistliche
- Offenbarung zuteil, in der er sich direkt mit Gott
- verbunden fühlte. Unmittelbar anschließend
- notierte er seine Erfahrung auf einem Stück Papier.
- Seine Gedankenfetzen überschlagen sich in diesem
- „Memorial“ und verraten äußerste Betroffenheit.
- Pascal nähte dieses Glaubenszeugnis in sein Rock-
- futter ein, wo man es nach seinem Tod fand.
- In den verbleibenden acht Lebensjahren widmete
- Pascal sich ganz der Aufgabe, seinen Glauben ande-
- ren mitzuteilen. So schrieb er eine knappe Abhand-
- lung über die Psychologie der Bekehrung und eine
- Reihe von bewegenden Gebeten, aus denen hervor-
- geht, dass er seine Krankheit als Gabe Gottes
- annahm.
- Sein größtes geplantes Werk, eine „Verteidigung
- des christlichen Glaubens“, die sich an Skeptiker
- richten sollte, konnte Pascal jedoch aus Krankheits-
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- gründen nicht mehr vollenden. Vorbereitend dafür
- hatte er thematisch geordnet viele einzelne Paragra-
- phen, Aphorismen und auch ganze Essays verfasst
- die nach seinem Tod unter dem Titel „Pensées“
- (Gedanken) veröffentlicht wurden. Am 19. August
- 1662 starb Pascal. Vor allem dieser Sammlung bril-
- liant formulierter und rhetorisch zugespitzter
- Gedankengänge verdankt Pascal seine Anerken-
- nung als christlicher Denker.
- Man kann Blaise Pascal nicht einordnen. Er war
- kein Theologe, aber er übertrug die Logik seiner
- wissenschaftlichen Denkweise auf theologische
- Sachverhalte und befasste sich intensiv mit dem
- Verhältnis voll Glaube und Vernunft. Er war kein
- Mystiker, aber seine eigenwillige geistliche Vorstel-
- lungskraft beleuchtete auch die dunklen Ecken der
- menschlichen Seele. Er war kein Meister des Gebets,
- aber voller Leidenschaft in seiner Hingabe an Chri-
- stus. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn wir ihn als
- „Genie“ bezeichnen, haben wir es doch mit einem
- Menschen von herausragendem geistlichem Scharf-
- sinn zu tun.
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- Das unmittelbar nach seinem Bekehrungserlebnis
- geschriebene „Memorial“ bezeugt auf eindrucks-
- volle Weise das Eingreifen Gottes in Pascals Leben.
- Die stammelnden, in höchster Erregung hervorge-
- stoßenen Worte sind ein persönliches Glaubensbe-
- kenntnis besonderer Art, in dem der Verstand hinter
- einer überwältigenden Freude zurücktritt. Pascal
- nähte den Text in sein Rockfutter ein, damit er ihn
- stets am Herzen trug.
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JAHR DER GNADE 1654
FEUER
Gott Abrahams Gott Isaaks, Gott Jakobs –
nicht der Philosophen und Gelehrten.
Gewissheit, Gewissheit, Empfinden.
Freude. Friede.
Gott Jesu Christi.
Vergessen der Welt und aller Dinge
außer Gott.
Freude, Freude, Freude,
Tränen der Freude.
Ich habe mich von ihm getrennt:
ich bin vor ihm geflohen,
ich habe ihn verleugnet, gekreuzigt.
Möge ich nie von ihm getrennt sein.
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Er wird nur auf den Wegen bewahrt,
die das Evangelium lehrt:
Vollkommene, innige Entsagung.
Vollkommene Unterwerfung
unter Jesus Christus
und unter meinen geistlichen Führer.
Ewig in der Freude
für einen Tag der Plage auf Erden.
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Bekehrung
- Kurz nach seiner Bekehrung im Jahr 1654 bemühte
- sich Pascal darum, von dem persönlichen Erlebnis
- Abstand zu gewinnen und dieses psychologisch zu
- analysieren. So unterscheidet er in seinem Essay
- „Von der Bekehrung des Sünders“ verschiedene
- Entwicklungsphasen, die zum Bekehrungserlebnis
- führen und diesem folgen.
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UNRUHE
- Das erste, was Gott der Seele einflößt, ist eine
- ganz außergewöhnliche Erkenntnis und
- Anschauung, wodurch die Seele die Dinge und sich
- selbst auf eine völlig neue Weise betrachtet.
- Dieses neue Licht macht ihr Furcht und bringt sie in
- Verwirrung, so dass die Ruhe gestört wird, die sie in
- den Dingen fand, an denen bisher ihr Herz hing
- Sie kann die Dinge, an denen sie Freude gefunden
- hatte, nicht mehr mit Ruhe genießen. Eine bestän-
- dige Unruhe ficht sie an, wenn sie sich dem früheren
- Genuss hingeben will, und diese Einsicht macht es
- ihr unmöglich, an den Dingen, denen sie sich mit
- vollem Herzen hingegeben hatte, noch den gewohn-
- ten Reiz zu finden.
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- So begreift sie, dass sich die Seele, wenn das
- Leben zu Ende ist, allein und verlassen fühlen
- muss, eben weil sie nicht Sorge getragen hat, sich
- mit einem wahren Gute zu verbinden, das durch
- sich selbst besteht und sie während und nach diesem
- Leben aufrecht halten könnte.
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HEILIGE BESCHÄMUNG
- Die Seele fängt an, alles als nichtig anzusehen,
- was ins Nichts zurückkehren muß: den Him-
- mel, die Erde, Verwandte, Freunde und Feinde,
- Besitz und Armut, Mißgeschick und Wohlergehen:
- Alles, was weniger Dauer hat als die Seele, ist unfä-
- hig, dem Verlangen dieser Seele genugzutun.
- Sie fängt an, über die Verblendung, in der sie gelebt
- hat, Erstaunen zu empfinden. Indem sie auf der
- einen Seite bedenkt, wie lange Zeit sie ohne solche
- Betrachtungen gelebt hat und wie groß die Zahl
- derer ist, die so leben, gerät sie in eine heilige
- Beschämung und in ein Erstaunen, das sie heilsam
- unruhig macht
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DEMUT
- So ist die Seele voller Freude, ein Gut gefunden zu
- haben, das ihr nicht geraubt werden kann und
- das nichts über sich hat.
- Bei diesen neuen Betrachtungen tritt sie ein in die
- Anschauung der Größe ihres Schöpfers und in tiefe
- Demut und Anbetung.
- Danach erkennt sie die Gnade, di er ihr erwiesen
- hat: einem so armseligen Wurm seine unendliche
- Majestät zu offenbaren.
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ENTSCHLUSS
- Die Seele entschließt sich, ihr weiteres Leben
- Gottes Willen entsprechend einzurichten. Aber
- ihre natürliche Schwäche in Verbindung mit der
- Gewohnheit der Sünde hat sie unfähig gemacht, zu
- dieser Glückseligkeit zu gelangen. Darum erfleht sie
- von seiner Barmherzigkeit die Mittel, zu ihm zu
- gelangen, sich mit ihm zu verbinden und ewig ihm
- anzuhängen…
- So erkennt sie, dass sie Gott anbeten muss als
- Geschöpf, ihm danken als Schuldnerin, ihm genug-
- tun als Sünderin, ihn bitten als Bettlerin.
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Leidenschaft
- Der junge Pascal als leidenschaftlicher Mathe-
- matiker lebte und handelte aus dem Verstand her-
- aus. Aber mit zunehmendem Alter wurde er zuwei-
- len von starken Gefühlen ergriffen. Die folgenden
- Auszüge aus einem frühen Essay „Über die Leiden-
- schaft der Liebe“ zeigen Pascal als einen Menschen,
- der zwischen Gefühl und Verstand steht oder, wie er
- es nennt, zwischen „Liebe“ und „Ehrgeiz“.
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ZWEI GROSSE LEIDENSCHAFTEN
- Die Leidenschaften, die dem Menschen am
- besten anstehen und viele andere in sich ein-
- schließen, sind die Liebe und der Ehrgeiz; sie haben
- kaum einen Zusammenhang miteinander, dennoch
- verbindet man sie oft genug; aber sie schwächen
- sich einander wechselseitig, um nicht zu sagen, sie
- zerstören sich.
- Wie weit auch der Geist sei, den man hat, man ist
- doch nur zu einer großen Leidenschaft fähig; denn
- wenn sich die Liebe und der Ehrgeiz begegnen, so
- sind sie nur halb so groß, als sie wären, wenn es sie
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- allein gäbe. Das Alter entscheidet weder über den
- Beginn noch über das Ende dieser beiden Leiden-
- schaften; sie entstehen schon in den frühen Jahren
- und bleiben oftmals bis ans Grab.
LEBENSLAUF
- Wie glücklich ist ein Leben, wenn es mit der
- Liebe beginnt und mit dem Ehrgeiz endet!
- Könnte ich zwischen beiden wählen, ich würde den
- letzteren vorziehen. Solange man Feuer hat, ist man
- liebenswert; aber das Feuer verlöscht, es geht ver-
- loren: wie ist dann der Raum groß und schön für
- den Ehrgeiz.
- Darum, wenn die Liebe und der Ehrgeiz das Leben
- beginnen und beenden, ist man im glücklichsten
- Zustand, dessen die menschliche Natur fähig ist.
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KLARHEIT DES GEISTES
- Die Klarheit des Geistes verursacht auch die
- Klarheit der Leidenschaft. Darum liebt ein gro-
- ßer und klarer Geist mit Glut und sieht deutlich,
- was er liebt.
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SUCHE NACH SCHÖNHEIT
- Wir werden geboren mit einem Merkmal der
- Liebe in unseren Herzen, das sich entwickelt
- und uns zu lieben treibt, was uns schön zu sein
- scheint, ohne dass man uns jemals gesagt hätte, was
- das ist…
- Die Schönheit verteilt sich in tausend verschiedene
- Arten. Die Person, die am meisten geeignet ist, sie zu
- halten, ist eine Frau. Wenn sie Geist hat, so beseelt
- sie die Schönheit und erhebt sie auf wunderbare
- Weise. Wenn eine Frau gefallen will und die Vorteile
- der Schönheit oder doch einen Teil davon besitzt, so
- wird es ihr gelingen; und selbst wenn die Männer
- noch so wenig darauf achtgäben und sie selbst ihre
- Absicht nicht darauf wendete, sie würde doch Liebe
- wecken. Es gibt in ihrem Herzen einen Ort des
- Wartens; dort würde sie wohnen.
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WIRKUNGEN DER LIEBE
- Dadurch, daß man von der Liebe spricht, wird
- man verliebt. Es gibt nichts so Leichtes. Sie ist
- für den Menschen die natürlichste Leidenschaft.
- Die erste Wirkung der Liebe besteht darin, eine
- große Achtung einzuflößen; man empfindet Vereh-
- rung für das, was man liebt. Das ist sehr richtig:
- Man nimmt nichts in der Welt wahr, was so groß
- wäre.
- Ich stimme dem zu, der sagt, in der Liebe vergäße
- man sein Schicksal, seine Eltern und seine Freunde.
- So weit gehen die großen Freundschaften. Dass man
- in der Liebe so weit geht, liegt daran, dass man
- nichts anderes meint nötig zu haben als das, was
- man liebt. Selbst ein Geiziger, der liebt, wird freige-
- big und denkt nicht daran, dass er jemals eine
- entgegengesetzte Gewohnheit gehabt hat.
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4
Glaube
- Pascals Philosophie geht von der Annahme aus, dass
- jeder Mensch nach Glück sucht. Das Christentum
- müsse sich deshalb der Frage stellen, ob es den
- Menschen „Glück“ bringe.
- Für Pascal verstand es sich von selbst, dass die
- Suche nach materiellen Gütern letztlich unbefriedi-
- gend bleibt. Wenn er die Welt um sich herum
- betrachtete, so fand er nur Elend und Verzweiflung
- in den Herzen der Menschen. Er persönlich war erst
- nach seiner Bekehrung (1654) wirklich glücklich
- geworden, und darum wollte er in seinen Schriften
- nachweisen, dass der christliche Glaube dieses
- Glück beinhaltet, wonach eigentlich jeder Mensch
- zutiefst verlangt.
- Die Textausschnitte in diesem und den beiden fol-
- genden Kapiteln sind den „Gedanken“ entnommen.
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SUCHE NACH DEM GLÜCK
- Alle Menschen suchen nach dem Glück. Das gilt
- ohne Ausnahme, wie unterschiedlich auch die
- Mittel sein mögen, die sie dafür benutzen. Sie stre-
- ben alle diesem Ziel zu. Was bewirkt, dass die einen
- in den Krieg ziehen und die anderen nicht, ist dieses
- eine Verlangen, das bei allen beiden mit unter-
- schiedlichen Auffassungen verbunden ist.
- Die geringste Willensregung ist immer nur auf die-
- sen Zweck gerichtet. Das ist hei allen Menschen der
- Beweggrund aller Handlungen, selbst bei jenen, die
- sich erhängen wollen! Und dennoch ist niemand seit
- so vielen Jahren jemals ohne den Glauben zu diesem
- Punkt gelangt, nach dem alle beständig streben.
- Alle beklagen sich, Fürsten, Untertanen, Greise,
- Jünglinge, Starke, Schwache, Gelehrte, Unwissende,
- Gesunde, Kranke aller Länder, aller Zeiten, aller
- Lebensalter und aller Stellungen.
- Eine so lange, so beständige und so einheitliche
- Probe sollte uns doch von unserer Unfähigkeit über-
- zeugen, das Glück durch unsere eigene Anstrengung
- zu erreichen.
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SPUREN DES GLÜCKS
- Was ruft uns denn diese Gier zu, wenn nicht
- dies, dass es einst im Menschen ein wahres
- Glück gegeben hat, von dem ihm jetzt nur Spuren
- geblieben sind und die er nun vergebens mit allem
- auszufüllen trachtet, was ihn umgibt. Dabei erwar
- tet er von den fernen Dingen die Hilfe, die er von
- den gegenwärtigen nicht erhält. Doch sie alle sind
- dazu nicht fähig, weil dieser unendliche Abgrund
- nur durch etwas Unendliches und Unwandelbares
- ausgefüllt werden kann: das heißt durch Gott selbst.
- Gott allein ist das wahre Glück des Menschen. Und
- seitdem er Gott verlassen hat, gibt es seltsamerweise
- nichts in der Natur, was nicht geeignet gewesen
- wäre, Gottes Platz beim Menschen einzunehmen.
- Die einen suchen das Glück in der Macht, die ande-
- ren in Raritätensammlungen und Wissenschaften,
- wieder andere in sinnlichen Vergnügen.
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GRÖSSE UND ELEND
- Die Größe des Menschen ist groß, weil er sich als
- elend erkennt. Ein Baum weiß nichts von sei-
- nem Elend. Also: Elend ist nur, wer sich als elend
- kennt; aber nur das ist Größe, zu wissen, dass man
- elend ist.
WAHRE RELIGION
- Wahre Religion muss uns eine Erklärung für
- diese erstaunlichen Widersprüchlichkeiten
- geben.
- Um den Menschen glücklich zu machen, muss sie
- ihm zeigen, dass es einen Gott gibt, dass man ver-
- pflichtet ist, ihn zu lieben. Sie muss ihm zeigen, dass
- es unser wahres Glück ist, in ihm zu sein, und unser
- einziges Übel, von ihm getrennt zu sein. Sie muss
- anerkennen, dass wir von Finsternis erfüllt sind, die
- uns hindert, Gott zu erkennen und zu lieben, und
- dass wir deshalb voller Ungerechtigkeit sind. Sie
- muss uns die Heilmittel gegen diese Unfähigkeit
- zeigen und die Wege weisen, um diese Heilmittel zu
- erhalten.
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GOTT DURCH CHRISTUS
- Wir erkennen Gott allein durch Jesus Christus.
- Ohne diesen Mittler wird jede Gemeinschaft
- mit Gott aufgehoben. Durch Jesus Christus erken-
- nen wir Gott. All jene, die Gott ohne Jesus Christus
- erkennen und beweisen wollten, besaßen nur unzu-
- längliche Beweise.
- Doch um Jesus Christus zu beweisen, haben wir die
- Prophetien, die stichhaltige und handgreifliche
- Beweise sind.
- Doch wir erkennen zugleich unser Elend, denn die-
- ser Gott ist nichts anderes als der Heiland unseres
- Elends. Darum können wir Gott nur richtig erken-
- nen, wenn wir unsere Sünden erkennen.
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SPUREN GOTTES
- Der Mensch soll die ganze Natur in ihrer großen
- und vollkommenen Majestät betrachten. Er soll
- seinen Blick von den niedrigen Gegenständen
- abwenden, die ihn umgeben. Er beschaue jenes
- strahlende Liche der Sonne, das wie eine ewige
- Lampe aufgestellt ist, um das Universum zu erhel-
- len. Die Erde erscheine ihm wie ein Punkt im Ver-
- gleich zu der weiten Kreisbahn,die dieses Gestirn
- durchläuft.
- Ein anderes, ebenso erstaunliches Wunder erkennt
- er, wenn er die kleinsten ihm bekannten Dinge
- untersucht: Eine Milbe zeigt ihm an ihrem winzigen
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- Körper noch unvergleichlich winzigere Teile: Beine
- mit Gelenken. Adern in ihren Beinen, Blut in ihren
- Adern, Säfte in diesem Blut, Tropfen in diesen
- Säften, Dämpfe in diesen Tropfen, so dass er seine
- Kräfte bei diesen Vorstellungen erschöpft.
- Was ist schließlich der Mensch in der Natur? Ein
- Nichts im Vergleich mit dem Unendlichen, ein All
- im Vergleich mit dem Nichts, ein Mittelding zwi-
- schen nichts und allem, unendlich weit davon ent-
- fernt, die Extreme zu erfassen.
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WIR TREIBEN DAHIN
- Wir sind unfähig, vollkommen sicher zu
- wissen oder es überhaupt nicht zu kennen.
- Wir treiben auf einer weiten Mitte, immer unsicher
- und schwankend, von einem Ende zum anderen
- gestoßen. Nichts steht für uns still. Das ist unser
- natürlicher Zustand, der gleichwohl unserer Nei-
- gung am meisten widerspricht. Wir brennen vor
- Verlangen, einen festen Halt und eine letzte,
- beständlige Grundlage zu finden, um darauf einen
- Turm zu errichten, der sich bis zum Unendlichen
- erheben soll. Aber unser ganzes Fundament kracht
- auseinander.
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KLAR UND EINFACH
- Jesus Christus hat die großen Dinge so einfach
- gesagt, dass es scheint, er habe nicht über sie
- nachgedacht. Und dennoch sagt er sie so deutlich,
- dass man wohl sieht, was er über sie dachte. Diese
- Klarheit in Verbindung mit dieser Einfachheit ist
- bewundernswert.
GEGENGEWICHT
- Elend führt zur Verzweiflung. Stolz führt zur
- Anmaßung.
- Die Menschwerdung Christi zeigt dem Menschen die
- Größe seines Elends an der Größe des Heilmittels,
- das notwendig gewesen ist.
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EMPFANGEN UND VERLIEREN
- Diese Lehre unterrichtet den Menschen über
- seine doppelte Fähigkeit: die Gnade zu emp-
- fangen und zu verlieren; und das wegen der doppel-
- ten Gefahr der Verzweiflung oder des Stolzes, der er
- stets ausgesetzt ist.
DIE WAHRHAFTIGE BEKEHRUNG
- Wenn ich ein Wunder gesehen hätte, sagen sie,
- würde ich mich bekehren. Wie können sie
- versichern, dass sie etwas tun würden, was ihnen
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- unbekannt ist? Sie bilden sich ein, diese Bekehrung
- bestehe darin, Gott anzubeten, als wäre man mit
- ihm in einer Beziehung und einem Gespräch, wie sie
- es sich vorstellen.
- Die wahrhaftige Bekehrung besteht in der Erkennt-
- nis, dass es einen unüberwindlichen Gegensatz zwi-
- schen Gott und uns gibt und dass es ohne einen
- Mittler keine Beziehung mit ihm geben kann.
VERNUNFT UND DEMUT
- Es gibt drei Mittel zum Glauben: Vernunft,
- Gewöhnung und die göttliche Eingebung. Das
- Christentum lässt diejenigen, welche ohne göttliche
- Erleuchtung glauben, nicht als seine wahren Kinder
- gelten; nicht so, als ob es die Vernunft und die
- Gewohnheit ausschlösse. Im Gegenteil: Man muss
- seinen Geist den Beweisen öffnen, sich darin befesti-
- gen durch Gewöhnung; aber doch muss man sich
- durch Selbstdemütigung für die göttliche Erleuch-
- tung empfänglich machen, die allein imstande ist,
- einen wahren und heilsamen Erfolg zu bewirken.
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ES IST UNBEGREIFLICH
- Es ist unbegreiflich, dass es Gott gibt, und es ist
- auch unbegreiflich, dass es ihn nicht gibt, dass
- die Seele mit dem Leib zusammen ist, dass wir
- überhaupt keine Seele haben, dass die Welt geschaf-
- fen ist, dass sie es nicht ist, dass es die Erbsünde gibt
- und dass es sie nicht gibt.
IM GLAUBEN LEBEN
- Ich beneide diejenigen, die ich so unbekümmert im
- Glauben leben sehe und die eine Gabe so schlecht
- gebrauchen, von der ich, wie mir scheint, einen so
- ganz anderen Gebrauch machen würde.
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Verstand
- Pascal war brennend interessiert an der Beziehung
- zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und Reli-
- gion. Es war sein größter Wunsch nachzuweisen,
- dass der christliche Glaube nicht dem Verstand
- entgegensteht, so dass jedermann ihn akzeptieren
- kann. Besonders geschickt argumentiert er in dem
- Gleichnis „Die Wette“.
- Aber Pascal erkannte durchaus auch die Grenzen
- des menschlichen Verstandes: Es gibt Geheimnisse,
- die allein der Glaube auszuloten vermag. Und er
- entlarvte die fadenscheinige Argumentation vieler
- Menschen, die angeblich aus intellektuellen Grün-
- den den Glauben ablehnen, in Wirklichkeit jedoch
- von ihren Leidenschaften getrieben werden.
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DIE WETTE
- Nehmen wir an: Gott ist, oder er ist nicht. Wofür
- werden wir uns entscheiden? Die Vernunft
- kann hier nichts bestimmen: ein unendliches Chaos
- trennt uns. Am Rande dieser unendlichen Entfer-
- nung spielt man ein Wettspiel, bei dem Kreuz oder
- Schrift, Kopf oder Zahl fallen werden. Worauf wol-
- len Sie setzen? Vernunftgründe gibt es weder für
- das eine noch für das andere. Mit Vernunftgründen
- können Sie keines von beiden verteidigen. Zeihen
- Sie also nicht die, die wählten, des Irrtums, denn
- man kann hier nichts wissen.
- Wägen wir Gewinn gegen Verlust für den Fall, dass
- wir auf Kreuz, dass wir darauf: dass Gott sei, setzten.
- Schätzen wir beide Möglichkeiten ab: Gewinnen Sie,
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- so gewinnen Sie alles, verlieren Sie, so verlieren Sie
- nichts. Setzen Sie also, ohne zu zögern, darauf, dass
- er ist.
ACHTUNG VERSCHAFFEN
- DDie Menschen schätzen die Religion gering. Sie
- hassen sie und fürchten, dass sie wahr sei. Um
- dafür Abhilfe zu schaffen, muss man zunächst zei-
- gen, dass die Religion keineswegs der Vernunft
- widerspricht. Sie verehrungswürdig machen. Sie
- hierauf liebenswert machen, den Guten den Wunsch
- eingeben, dass sie wahr sein möge, und danach
- zeigen, dass sie wahr ist.
GEWISSHEIT
- Es bereitet Vergnügen, sich auf einem vom Sturm
- umtosten Schiff zu befinden, wenn man die
- Gewissheit hat, dass es keinesfalls untergehen wird;
- die Verfolgungen, welche die Kirche heimsuchen,
- sind von dieser Art.
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ÜBERZEUGUNGEN
- Man überzeugt sich gewöhnlich besser mit den
- Gründen, die man selbst gefunden hat, als mit
- denjenigen, die anderen eingefallen sind.
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GEBRAUCH DER VERNUNFT
- Man muss es verstehen zu zweifeln, wo es ange-
- bracht ist; etwas als sicher anzunehmen, wo es
- angebracht ist, indem man sich unterordnet, wo es
- angebracht ist. Wer nicht so verfährt, begreift nicht
- die Macht der Vernunft. Es gibt einige, die gegen
- diese drei Prinzipien verstoßen, entweder indem sie
- alles als sicher und beweiskräftig annehmen, oder
- indem sie an allem zweifeln, weil sie nicht wissen,
- wo man sich unterordnen muss, oder auch indem sie
- sich in allem unterordnen, weil sie nicht wissen, wo
- man ein Urteil abgeben muss.
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VERNUNFT UND GLAUBE
- Wenn man alles der Vernunft unterordnet, wird
- unsere Religion nichts Geheimnisvolles und
- Übernatürliches haben. Wenn man gegen die Prin-
- zipien der Vernunft verstößt, wird unsere Religion
- absurd und lächerlich sein.
ERKENNTNIS
- Zwei Arten von Menschen gelangen zur Erkennt-
- nis: diejenigen, die demütigen Herzens sind und
- die ihre Niedrigkeit lieben, auf welch hoher oder
- niedriger Geistesstufe sie auch stehen mögen, oder
- diejenigen, die genügend Geist haben, um die Wahr-
- heit zu sehen, welche Einwände sie auch gegen sie
- haben.
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DREI ARTEN VON MENSCHEN
- Es gibt nur drei Arten von Menschen: Die einen
- dienen Gott, da sie ihn gefunden haben, die
- anderen bemühen sich, ihn zu suchen, da sie ihn
- nicht gefunden haben, und die dritten leben dahin,
- ohne ihn zu suchen und ohne ihn gefunden zu
- haben. Die ersten sind vernünftig und glücklich, die
- letzten sind töricht und unglücklich. Die mittleren
- sind unglücklich und vernünftig.
WIDERSPRÜCHE
- Wir sehnen uns nach der Wahrheit und finden
- in uns nur Ungewissheit. Wir streben nach
- dem Glück und finden nur Elend und Tod. Wir sind
- unfähig, uns nicht nach Wahrheit und Glück zu
- sehnen, und wir sind der Gewissheit wie des Glücks
- unfähig.
- Alle diese Widersprüche, die mich am weitesten von
- der Kenntnis einer Religion zu entfernen schienen,
- haben mich gerade am ehesten zur wahrhaftigen
- Religion geführt.
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- verleugnen, und zuwenig, um Gewissheit zu haben,
- bin ich in einem beklagenswerten Zustand.
- Mein Herz strebt ausschließlich nach der Erkennt-
- nis, wo sich das wahre Glück befindet, damit es sich
- ihm widmen kann. Für die Ewigkeit wäre mir nichts
- zu mühselig.
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IM NETZ DES ZWEIFELS
- Die Natur bietet mir nichts, was nicht Anlaß zu
- Zweifel und Unruhe wäre. Sähe ich in ihr
- nichts, was auf eine Gottheit hindeutete, so würde
- ich mich gegen sie entscheiden; sähe ich überall die
- Zeichen eines Schöpfergottes, so würde ich ruhig im
- Glauben verharren. Da ich aber zuviel sehe, um zu
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VERNUNFT DES HERZENS
- Das Herz hat seine Vernunft, die der Verstand
- nicht kennt. Es ist das Herz, das Gott fühlt, und
- nicht der Verstand. Das ist der Glaube: Gott dem
- Herzen fühlbar, nicht dem Verstand.
EWIGES LEBEN
- Je nachdem, ob wir ewiges Leben erhoffen oder
- nicht, müssen all unsere Handlungen und Gedan-
- ken unterschiedliche Bahnen einschlagen. Es ist
- unmöglich, einen sinnvollen und verständigen
- Schritt zu unternehmen, wenn man sich nicht nach
- dem Punkt richtet, der unser letztes Ziel sein muss.
- Und deshalb mache ich einen außerordentlich gro-
- ßen Unterschied zwischen denen, die sich mit all
- ihrer Kraft bemühen, sich über das ewige Leben zu
- unterrichten, und denen, die dahinleben, ohne sich
- darum zu sorgen. Ich kann nur Mitleid mit denen
- haben, die in diesem Zweifel befangen sind, die
- nichts unversucht lassen, um ihn zu überwinden.
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WÜRDE DES MENSCHEN
- Wenn man sagt, der Mensch sei zu gering, als
- dass eine Mitteilung Gottes an ihn möglich sei,
- so sage ich, man muss sehr hoch stehen, um darüber
- urteilen zu können.
- Der Mensch ist Gottes nicht würdig; aber es ist
- Gottes nicht unwürdig, ihn von seinem Elende zu
- befreien.
VERHÜLLTER HASS
- Alle Menschen hassen sich von Natur aus gegen-
- seitig. Man hat sich, so gut man konnte, der
- Begierde bedient, um sie für das Gemeinwohl nutz-
- bar zu machen. Aber das ist nur Heuchelei und ein
- falsches Bild der christlichen Liebe, denn im Grunde
- ist es nur Haß.
- Man hat bewundernswerte Regeln für die öffentliche
- Ordnung, die Moral und das Recht auf der Begierde
- begründet und aus ihr hergeleitet. Im Grunde aber
- ist dieser böse Kern des Menschen nur verhüllt. Er
- ist nicht aufgehoben.
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DIE NATUR DES MENSCHEN
- Eine Religion muss, damit sie wahr ist, unsere
- menschliche Natur durchschaut haben. Sie
- muss deren Größe und Niedrigkeit und den Grund
- für beides durchschaut haben. Welche Religion hat
- das außer der christlichen erkannt?
DER VERBORGENE GOTT
- Anstatt euch zu beklagen, dass Gott sich verbor-
- gen hat, werdet ihr ihm Dank sagen, dass er sich
- so sehr offenbart hat. Und ihr werdet ihm auch noch
- Dank sagen, dass er sich nicht den hochmütigen
- Weisen offenbart hat, die unwürdig sind, einen so
- heiligen Gott zu erkennen.
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Beobachtungen
- Pascal war ein aufmerksamer Beobachter des
- menschlichen Wesens. Viele seiner Aphorismen
- gehören inzwischen zu unserem „geistigen Inven-
- tar“. Manchmal wirkt er fast aalglatt, als sei er
- selbst beeindruckt von seinem Verstand. Mit unfehl-
- barer Präzision treffen Pascals Feststellungen ins
- Schwarze. Und anschließend wird deutlich, dass er
- jedesmal auch sich selbst gemeint hat.
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EITELKEIT
- Die Eitelkeit ist so tief im menschlichen Herzen
- eingewurzelt, dass ein Soldat, ein Koch, ein
- Lastträger sich rühmen und ihre Bewunderer haben
- wollen. Selbst die Philosophen wollen sie haben,
- und diejenigen, die dagegen schreiben, wollen den
- Ruhm erreichen, gut geschrieben zu haben, und
- diejenigen, die sie lesen, suchen den Ruhm, sie
- gelesen zu haben, und ich, der ich dies schreibe,
- hege vielleicht gerade dieses Verlangen, und viel-
- leicht auch diejenigen, die es lesen werden…
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GNADE
- Um aus einem Menschen einen Heiligen zu
- machen, dazu bedarf es notwendig der Gnade.
- Und wer daran zweifelt, weiß nicht, was ein Heiliger
- und was ein Mensch ist.
STANDORT
- Diejenigen, die ein ausschweifendes Leben füh-
- ren, sagen denjenigen, die ein ordentliches
- Leben führen, sie würden sich von der Natur entfer-
- nen, während sie von sich selbst glauben, dass sie ihr
- folgen. Genauso glauben die an Bord eines Schiffes,
- dass jene, die am Ufer stehen, davonlaufen. Man
- braucht einen festen Punkt, um darüber zu urteilen.
- Der Hafen beurteilt diejenigen, die an Bord eines
- Schiffes sind, doch wo werden wir in der Moral
- einen Hafen hernehmen?
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EIN SCHILFROHR
- Nur ein Schilfrohr, das Zerbrechlichste in der
- Welt, ist der Mensch. Es ist nicht nötig, dass
- sich das All wappne, um ihn zu vernichten: ein
- Windhauch, ein Wassertropfen reichen hin, um ihn
- zu töten. Die ganze Würde des Menschen besteht im
- Denken, an ihm müssen wir uns aufrichten und
- nicht am Raum und an der Zeit, die wir doch nie
- ausschöpfen werden.
LANGEWEILE
- Nichts ist dem Menschen so unerträglich, als
- wenn er sich in vollkommener Ruhe befindet,
- ohne Leidenschaften, ohne Beschäftigungen, ohne
- Zerstreuungen, ohne Betriebsamkeit.
- Dann fühlt er seine Nichtigkeit, seine Verlassenheit,
- seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine
- Ohnmacht, seine Leere.
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ZERSTREUUNG
- Das einzige, das uns über unser Elend hinwegtrö-
- stet, sind die Zerstreuungen. Und doch sind sie
- unser größtes Elend. Denn gerade sie sind das
- Haupthindernis, wenn wir über uns selbst
- nachdenken wollen. Sie stürzen uns unmerklich ins
- Verderben.
- Ohne Zerstreuungen litten wir an Langeweile, und
- diese Langeweile würde uns drängen, ein zuverlässi-
- geres Mittel zu suchen, um uns davon zu befreien;
- die Zerstreuungen aber unterhalten uns und lassen
- uns unmerklich dem Tode anheimfallen.
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GLÜCK
- Die Stoiker sagen: Haltet Einkehr in euch selbst,
- dort werdet ihr eure Ruhe finden. Das ist nicht
- wahr. Die anderen sagen: Geht nach außen und
- sucht das Glück in einer Zerstreuung. Auch das ist
- nicht wahr: Die Krankheiten kommen.
- Das Glück ist weder außerhalb von uns noch in uns;
- es ist in Gott und dadurch sowohl außerhalb von
- uns als auch in uns.
GESTERN, HEUTE, MORGEN
- Jeder prüfe seine Gedanken. Er wird finden, dass
- sie ganz mit der Vergangenheit oder der Zukunft
- beschäftigt sind. Wir denken fast überhaupt nicht
- an die Gegenwart, und wenn wir an sie denken, so
- nur, um aus ihr die Einsicht zu gewinnen, mit der
- wir über die Zukunft verfügen wollen. Die Gegen-
- wart ist niemals unser Ziel.
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- Deshalb leben wir nie, sondern hoffen auf das
- Leben. Und da wir uns ständig bereit halten, glück-
- lich zu werden, ist es unausbleiblich, dass wir es
- niemals sind.
PERSPEKTIVE
- Wenn man zu jung ist, urteilt man nicht gut,
- ebenso, wenn man zu alt ist. Wenn man sein
- Werk betrachtet, gleich nachdem man es vollendet
- hat, ist man noch ganz davon ergriffen, wenn man
- es zu lange danach tut, erfasst man es nicht mehr.
- Wie bei den Bildern, die man aus zu großer oder zu
- kleiner Entfernung betrachtet: Es gibt nur einen
- unteilbaren Punkt, der die richtige Stelle ist.
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HUNGER
- Man wird es durchaus nicht überdrüssig, alle
- Tage zu essen und zu schlafen, denn Hunger
- und Schlafbedürfnis entstehen immer aufs neue,
- sonst würde man dessen überdrüssig werden.
- So wird man der geistlichen Dinge überdrüssig,
- wenn es uns nicht nach ihnen hungert.
GLIEDER EINES LEIBES
- Wenn Füße und Hände einen eigenen Willen
- hätten, so verhielten sie sich nur ihrer Ord-
- nung gemäß, wenn sie diesen Willen dem Hauptwil-
- len, der den ganzen Leib lenkt, unterwürfen. Wenn
- sie davon abweichen, bringt es ihnen Unordnung
- und Unglück; wenn sie aber nur das Wohl des
- Leibes wollen, sorgen sie auch für ihr eigenes Wohl.
LEBEN UND GLAUBEN
- Wenn es eine übernatürliche Verblendung ist,
- dahinzuleben, ohne zu erforschen, was man
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- ist, so ist es eine schreckliche Verblendung, ein
- schlechtes Leben zu führen und dabei an Gott zu
- glauben.
UNERFORSCHTE FRAGEN
- Weshalb ist meine Erkenntnis beschränkt, wes-
- halb meine Gestalt, weshalb die Dauer meines
- Lebens auf hundert Jahre statt auf tausend? Welche
- Gründe hat die Natur gehabt, sie mir so zu geben
- und grade diese Zahl statt einer andern unter der
- Unendlichkeit auszuwählen? Das ewige Schweigen
- dieser unendlichen Räume macht mich schaudern.
FREUNDSCHAFT
- Niemand redet in unserer Gegenwart so über uns,
- wie er über uns redet, wenn wir abwesend sind.
- Die Eintracht unter den Menschen beruht nur auf
- diesen gegenseitigen Betrügereien; und wenige
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- Freundschaften würden fortbestehen, wenn jeder
- wüßte, was sein Freund über ihn sagt, sobald er
- nicht dabei ist.
ZEIT HEILT
- Die Zeit heilt die Schmerzen und die Streitigkei-
- ten, weil man sich ändert: Man ist nicht mehr
- der, der man war, weder der Beleidiger noch die
- Beleidigten sind die gleichen, die sie waren. Ebenso,
- wenn man einem Volk, mit dem man im Streit war,
- nach zwei Generationen wieder begegnet; wohl sind
- es Franzosen, aber nicht mehr die von damals.
GUTE TATEN
- Jene guten Taten, die man verbirgt, sind die schät-
- zenswertesten. Wenn ich davon in der Geschichte
- einige entdecke, so gefallen sie mir sehr. Aber
- schließlich sind sie nicht ganz und gar verborgen
- geblieben, da man ja von ihnen erfahren hat. Und
- obgleich man alles getan hat, um sie zu verbergen,
- verdirbt doch dieses wenige, wodurch sie ans Licht
- gelangt sind, alles. Denn gerade das Schönste an
- ihnen ist, dass man sie verbergen wollte.
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7
Krankheit
- Nach eigenen Aussagen war Pascal seit seinem
- 18. Lebensjahr nie ohne Schmerzen. Man vermutet,
- dass er viele Jahre an Tuberkulose litt; hinzu kamen
- starke nervliche Spannungszustände. Pascal konnte
- jedoch die Krankheit als Gabe Gottes annehmen, als
- ein Mittel, wodurch Gott das menschliche Herz zu
- sich zieht. Er nannte seine Meditationen „Gebet zu
- Gott um den rechten Gebrauch der Krankheit“.
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- Zu wem soll ich rufen, Herr,
- zu wem meine Zuflucht nehmen,
- wenn nicht zu dir?
- Alles, was nicht Gott ist,
- kann meine Hoffnung nicht erfüllen.
- Gott selbst verlange und suche ich;
- an dich allein, mein Gott, wende ich mich,
- um dich zu erlangen.
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- Du allein hast meine Seele erschaffen können,
- du allein kannst sie aufs neue erschaffen;
- du allein hast ihr dein Bildnis einprägen können,
- du allein kannst sie umprägen
- und ihr dein ausgelöschtes Antlitz
- wieder eindrücken,
- welches ist Jesus Christus,
- mein Heiland, der dein Bild ist
- und das Zeichen deines Wesens.
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- Vater im Himmel,
- ich bitte weder um Gesundheit
- noch um Krankheit,
- weder um Leben noch um Tod,
- sondern darum, dass du über meine Gesundheit
- und meine Krankheit,
- über mein Leben und meinen Tod verfügst
- zu deiner Ehre und meinem Heil.
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- Du allein weißt, was mir dienlich ist.
- Du allein bist der Herr,
- tue, was du willst.
- Gib mir, nimm mir,
- aber mache meinen Willen dem deinen gleich.
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- So gib denn, Herr,
- dass ich, wie ich auch sei,
- mich in deinen Willen einordne;
- und dass ich als Kranker
- dich verherrliche in meinen Leiden.
- Vereinige mich mit dir;
- erfülle mich mit dir und deinem heiligen Geiste.
- Gehe ein in mein Herz und in meine Seele,
- um meine Leiden darin zu tragen,
- damit ich, ganz erfüllt von dir,
- nicht mehr selbst es bin, der lebt und leidet,
- sondern damit du es bist,
- der lebt und leidet in mir,
- o mein Heiland!
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- Titel der englischen Originalausgabe
- „Spiritual Classics“
- © 1991 Hunt & Thorpe, Alton, UK
- Redaktion: Eva-Maria Busch
- © der deutschen Ausgabe
- 1991 Brunnen Verlag Gießen
- ISBN 3-7655-5306-9
- Das Buch ist vergriffen.
- Es wird hier mit freundlicher Genehmigung des
- www.Brunnen-Verlag.de´s online gestellt.
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