„Heiraten – was sonst? – Ein Plädoyer für die Ehe“
Ja liebe Freunde, das Thema heute Abend: Heiraten – was sonst? – Ein Plädoyer für die Ehe. Heiraten, was sonst? Ja, was könnte man sonst eigentlich noch machen? Fällt ihnen was ein? Es scheint also das Allernaheliegendste zu sein zu heiraten, und da gibt es scheinbar auch überhaupt keine Frage. Aber ganz so naheliegend ist es aber dann wohl auch wieder nicht, und so selbstverständlich und fraglos. Denn es gibt schon eine Menge Fragen und auch eine Menge Verunsicherungen. Heiraten, da könnte man ja auch fragen: Wieso eigentlich? Dennoch soll es ja in diesem Vortrag um ein Plädoyer für die Ehe gehen, das heißt, es soll der Versuch gemacht werden, zu sagen, warum wir Ehe gut finden. Wenn man zurückfragt, ja. was findet ihr denn gut an der Ehe, wie kommt ihr überhaupt dazu, Ehe gut zu finden, dann ist es schon auch sinnvoll, nochmal die Spur zurückzuverfolgen und an die Anfänge zu gehen. Also zu den ersten Blättern der Bibel, und Thomas Uhlig hat ja gerade schon diesen Abschnitt gelesen, der ihnen wahrscheinlich jetzt auch so im Ohr ist, dass ich ihn nicht noch einmal lesen muss.
Aber dieser Abschnitt aus 1. Mose 2, 18-25 ist das, was man auch die Stiftungsurkunde der Ehe nennt. Und auch wenn sie uns vielleicht auch relativ vertraut sein mag, denke ich mal, wir machen uns mal die Mühe und buchstabieren sie doch nochmal ein wenig durch, diese Stiftungsurkunde der Ehe. Ich stelle mir mit etwas Fantasie vor, wie Gott durch den Paradiesgarten wandert und sich an seiner Schöpfung freut, besonders an seiner letzten Kreation, den Menschen, den Adam. Und Adam heißt im Hebräischen soviel wie Mensch. Also Adam ist nicht nur ein Eigenname für einen Mann, sondern auch so etwas wie ein Gattungsbegriff für Mensch überhaupt, der Erdling etwa, übersetzt ins Deutsche.
Und Gott beobachtet ihn seit einiger Zeit und hat den Eindruck, der Adam ist nicht so ganz glücklich. Er liegt manchmal versonnen im Gras, träumt so ein bisschen melancholisch, und Gott mag sich fragen, ist der eigentlich krank, oder was ist mit ihm. Hat er Kummer? Und Gott sieht, ja, ihm fehlt was. Er hat Kummer, er hat Liebeskummer. Und Gott erkennt, es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Die erste Diagnose, die in der Menschheitsgeschichte gestellt worden ist. Und er spürt, und es wird ja auch ganz menschlich erzählt, Gott spürt geradezu, ich muss ja noch mal was nachbessern. Jedenfalls entscheidet Gott sofort die Therapie: Ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei. Und ich finde es erstaunlich und sehr überraschend, dass Gott auf diese Idee kommt und nicht sagt, ja lieber Adam, du hast doch mich. Ich bin doch mehr als die hübscheste Frau oder das größte Glück, dass du dir denken kannst. Du hast doch mich, Adam. So wie es später Asaph dann in den Psalmen betet, Psalm 73. Wenn ich nur dich habe, dann frage ich nichts nach Himmel und Erde und wenn gleich Leib und Seele verschmachtet, bist du doch Gott allezeit meines Herzens Trost. Und meine Freude also, was bitte denn noch. Und es ist ja wirklich ein wunderbares Wort, das der Asaph hier als Bekenntnis ausspricht. Aber es ist ja ein Trost in extremen Situationen, nicht wahr, nicht für das normale Leben, das ja hoffentlich nicht immer so extrem ist.
Für unser normales Beieinandersein, für unser normales menschliche Leben gilt eher, was im Predigerbuch Kapitel 4, 9 und 10 steht. Wehe dem, der alleine ist. Wenn er fällt ist keiner da, der ihm aufhilft. So entscheidet Gott. Der Mensch braucht nicht nur mich. Der Mensch braucht auch einen Menschen. Der Mensch ist Mitmensch. Das wird an dieser Stelle festgeschrieben für alles Leben. Alles Leben ist Beziehung. Menschsein heißt, in Beziehung sein. Der Mensch ist Mitmensch von Anfang an. Das ist sein Wesen, Mitmenschlichkeit. In Kapitel 1 Vers 27 heißt es: Und Gott schuf den Menschen ihn zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er sie, Mehrzahl. Und schuf sie als Mann und Frau. Er wollte doch den Menschen schaffen. Ja, er erschafft den Menschen, indem er zwei schafft, einen Mann und eine Frau, also ein Menschenpaar, ein Pärchen müsste man eigentlich übersetzen. Man könnte auch übersetzen, er schuf sie als Männchen und Weibchen. Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Das ist ein Grundwort jeder Antrophologie, also jeder Lehre vom Menschen.
Und dieses Wort gilt übrigens auch, damit keine Missverständnisse entstehen, für Ledige und Alleinstehende. Auch sie brauchen jenseits sexueller Beziehungen einen Menschen. Jeder braucht wenigstens einen, einen, dem er sich mitteilen, dem er sich zumuten kann, dem er vertrauen, und demgegenüber er sich öffnen kann, demgegenüber er sich riskieren kann, auch mit seinen Wunden- und Schattenseiten, vor dem er wahr werden kann und der ihm gegenüber ist und Ergänzung, Ermutigung und Korrektur. Sonst degeneriert der Mensch zum Eigenbrödler und zum komischen Kauz. Diese Leute gibt es ja. Die Frage an sie, an jeden Einzelnen, an euch: Wer ist dieser, wenigstens eine Mensch, den du hast, um Mensch zu bleiben? Wie heißt er? Das kann im Sinne unseres Themas der Ehepartner sein, muss es aber nicht. Es gibt Ehepaare, die sind wahnsinnig einsam, obwohl die intime Beziehung zwischen Mann und Frau das Grundmodell von Mitmenschlichkeit ist, das hier beschrieben wird, weshalb Gott hier ja auch die Ehe schafft. Aber dies ist von vorneherein einmal vorabgeklärt, der Mensch ist Mitmensch. Du brauchst wenigstens einen. Und wenn du keinen hast, such ihn.
2. Bevor Gott die Frau schafft probiert er, sozusagen im Probelauf erst mal aus, ob es nicht auch mit einem Tier geht. Ob nicht ein nettes Viech die Sehnsucht nach Beziehung, nach Du und Partnerschaft stillen kann und führt dem Adam den ganzen Reichtum seiner von ihm geschaffenen Tierwelt, also seine Fauna vor. Es zeigt sich aber, dass das Tier ein guter Kamerad sein kann, und mancher Hund ist treuer als mancher Mann. Und manche Katze lässt sich lieber kraulen als manche Frau, aber, bei denen ist es sowieso schon mal anders, die kann man vielleicht auch ganz schön kraulen, aber wenn die einen kraulen, ist sie vielleicht doch ein bisschen ruppig. Aber im Ergebnis jedenfalls heißt es: der Mensch gibt dem Tier zwar Namen, das heißt, er herrscht über sie. Das bedeutet das Namen geben, aber als Gegenüber und Partner scheidet das Tier aus, sosehr man an einem Tier hängen kann. Aber ein Tier ist kein Gegenüber zum Menschen. Wie der Adam, der erste Mensch dann zu seiner Eva, der ersten Frau kam, das bleibt für alle Zeiten ein Geheimnis. Adam hat es ja überhaupt nicht mitbekommen. Das scheint übrigens so geblieben zu sein, also bei vielen Männern, den Adamssöhnen. Aber er konnte auch nichts dafür, denn Gott hat ihn in einen Tiefschlaf fallen lassen. Wir werden hier Zeuge der ersten Narkose und auch der ersten OP in der Menschheitsgeschichte. Und Gott ist Operateur. Es bleibt eben ein Geheimnis und die Exegeten haben sich darüber auch schon den Kopf zerbrochen, wie Gott aus einem Rippenstück so ein wunderbares Wesen schaffen konnte, wobei die Geschichtenerzähler über diese Geschichte dann auch noch phantasieren, es sei wahrscheinlich Mai gewesen, und Gott habe allerlei Zutaten an Blütendüften und anderen Sachen, schönen Sachen noch dabei gemischt, Adam ist wahrscheinlich Anfang April erschaffen worden. Aber es bleibt eben Gottes ureigenste Rezeptur. Für Adam ist die Liebe und die Frau, der sie gilt, ja dann die große Entdeckung und Überraschung. Er muss erst einmal zu sich kommen. Es dauert ja eine geraume Zeit, bis man aus der Narkose wieder da ist. Und als ihm dann endlich die Augen aufgehen, hat er sie sich wahrscheinlich einige Male reiben müssen, um zu begreifen, was da Wundersames lächelnd und faszinierend vor ihm stand. Und zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte hören wir einen Menschen reden. Die, wörtlich könnte man übersetzen, „die da“ endlich, Fleisch von meinem Fleisch und Bein von meinem Bein. Oder Martin Buber: diesmal ist sie es. Also bei den Tieren war´s nicht, aber diesmal ist sie ´s. Man nennt diesen Satz, den wunderschönen Satz, den Adam da gesprochen hat, den Bräutigamsjubel. Also, liebe Freunde, der erste Satz, der je in der Menschheit gesprochen worden ist, war das Kompliment eines Mannes an Gott seiner Frau wegen. Das muss lange her sein. Finden sie nicht auch? Aber im Grunde geschieht es immer wieder und immer noch. In 1000 Variationen, immer wieder entdeckt der Mann eine Frau und die Frau einen Mann und es passiert, dass, was so wundersam und nicht zu überbieten ist, sie fangen Feuer und ihre Herzen stehen in Flammen. Die liebenden schwärmen, sie sind fasziniert von ihrer Entdeckung und sind so verliebt, dass sie zu etwas Anderem kaum noch zu gebrauchen sind. Heinrich Wiesemann, den einige von ihnen vielleicht noch kennen, die älteren also damals hatte er „Altes Testament“ am Seminar, sprach immer furchtbar schnell und kratzte sich dabei immer am Kopf, hatte Bienen, und wenn sie schwärmen und wenn sie schwärmen, dann arbeiten sie nichts. Das ist ja auch vielleicht bei den Menschen so. Adams Bräutigamsjubel hat tausend Melodien und Variationen erfahren und wir singen diesen Jubel ja dann doch auch noch bis heute. Die Liebe ist ein großes Geschenk und bleibt Gottes Geheimnis. Und es ist gut, dass es Gottes Geheimnis bleibt. Wir hören nie auf, das zu entdecken. Die Liebe ist das und dieses Geheimnis ist das, was Gott den Menschen aus dem Paradies mitgegeben hat. Lasst uns das feiern. Lasst uns das feiern liebe Freunde, immer wieder feiern.
3. Wenn aber dann der erste Schwarm und die Verliebtheit sozusagen auf Normal-Null geht, dann muss geklärt werden, wie soll denn nun hier die Beziehung eigentlich gestaltet werden? Welchen Part wollen wir denn miteinander spielen und wie sieht die Rolle aus von Mann und Frau. Also wie ist das Rollenverständnis von Mann und Frau? Wie soll es in der Ehe aussehen? Wir lesen: Gott sprach, es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei, ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei. Dieser letzte Satz ist also ein Schlüsselsatz, und dieser letzte Satz, ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei, dieser Satz ist auch ein Märtyrer, der hat schon unendlich viel mitgemacht, dieser Satz. Der ist schon unendlich strapaziert worden und er hat unendlich gelitten in der ganzen Menschheitsgeschichte und ist missverstanden und verhunzt worden. Und eigentlich immer zu Lasten der Frauen. Dazu hat auch die Lutherübersetzung ein bisschen mit beigetragen durch die nicht so ganz glückliche Übersetzung, „ich will ihm eine Gehilfin machen“. Denn das gibt ja Assoziationen, besonders in den Männerköpfen, die dann sowas hören wie: ach sie ist wohl so ne Art Magd. Eine Angestellte des Mannes, eine Haus-, Koch- und Putzgehilfin, die um ihn sei, die um ihn herumspringt, ihm Pantoffeln und Bier an den Fernsehsessel holt, damit er sich nicht so viel bewegen muss und ihm im Bett gefügig ist. Das ist tief drin. Aber wenn man genau hinschaut, was in dem Text da steht, also z.B. im Hebräischen, dann ist man doch einigermaßen überrascht, einmal zu sehen, wer ist denn eigentlich hier bei Mann und Frau der Hilflose? Also da wird zunächst einmal deutlich, der Mann ist der Hilflose. Der kommt allein nicht zurecht. Man fragt sich, wer ist denn eigentlich das schwache und das starke Geschlecht hier. Das ist ja nie so ganz geklärt worden. Nur das Wort Gehilfin im Hebräischen nun noch mal. Das ist überraschenderweise im Hebräischen ein maskulines Wort, ein männliches Wort. Also man müsste übersetzen: Ich will ihm einen Helfer machen. Das ist ein Wort, das auch für Gott gebraucht wird, als der Nothelfer. Und die Wendung „die um ihn sei“ diese etwas fatale, heißt eigentlich „ihm entsprechend“, „ihm gegenüber“, wie Nut und Feder, wie rechter und linker Schuh, also im Sinne der Ergänzung auf Augenhöhe, ebenbürtig, und in gegenseitigem Respekt, nicht gleichartig, aber gleichwertig. Das ist der Zusammenhang und der Sachverhalt. Mit derselben Würde ausgestattet, Mann und Frau, in Augenhöhe, partnerschaftlich. So nämlich und nur so, als Partner, als gleichwertige Partner repräsentieren sie gemeinsam die Ebenbildlichkeit Gottes in der Welt. Dass es später im Kapitel 3 Vers 16 heißt als Fluch über die Frau, du wirst viele Schmerzen haben beim Kindergebären, aber dein Verlangen wird nach deinem Mann sein, er aber soll dein Herr sein, ist bitte schön und in aller Welt ja nicht der ursprüngliche Wille Gottes gewesen. Das ist nicht die ursprüngliche Schöpfungsordnung, sondern dieses Wort ist ein Fluchwort, ein Gerichtswort. Es ist die Last, die Gott auf die Liebe legt und auf die Beziehung legt als Konseqenz der Sünde. Es ist das Leid, das Gott über die Ehe legt. Aber es ist nicht seine ursprüngliche Idee gewesen. Und das ist auch nicht zu Anfang eingeplant gewesen. Er aber wird dein Herr sein, da haben viele drauf zurückgegriffen und haben gesagt, so steht es in der Heiligen Schrift, und so leben wir es aus. Und so ging es dann durch die Jahrtausende geradezu. Ich gestehe ihnen, ich wundere mich nicht über den Feminismus, diesen Aufstand der Frauen, diese Rebellion gegen die Männer, die gesagt haben, wir machen nicht mehr mit. Wir sind jetzt mal dran. Ich finde es ist nicht die Lösung, aber verstehen kann ich das, den Aufstand der unterdrückten Frauen durch die Jahrtausende gegen den Mann. Eigentlich, das Neue Testament erst, eröffnet den Lösungsweg, wenn Paulus das Evangelium von Jesus Christus so deutet in Galater 3, 28, wenn er sagt, vor Gott und vor Christus gibt es diese Unterscheidung und Wertungen nicht mehr. Hier ist nicht mehr Mann oder Frau, sondern hier sind sie allemal einer in Christus. Hier proklamiert Paulus die erlöste Beziehung der Geschlechter. Er öffnet den Rückweg zur Schöpfungsordnung unter dem Schutz der Erlösungsordnung. Liebende sind Partner und sollen es nach dem Willen Jesu wieder werden. Liebe Männer, liebe Frauen, schauen sie sich heute abend nochmal einander in die Augen. Und wenn sie es schaffen, sagen sie, du bist mein Partner, ebenbürtig, auf Augenhöhe. Du bist genau so wichtig wie ich selber. Wenn sie es nicht sagen können, dann denken sie es um Himmels Willen wenigstens.
4. Wie stark die Liebe ist, und wie unwiderstehlich es den Mann zur Frau zieht und umgekehrt, das dokumentiert der Satz in unserem Abschnitt Vers 24: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen“. Man ist ja verwundert, denn auch in der alten Kultur, wenn ich richtig informiert bin, ist es eigentlich gar nicht der Mann, der Vater und Mutter verlässt, sondern die Frau verlässt ihre Eltern, und dann ist die große Heimholung. Und der Mann holt sie in sein Haus. Sie jedenfalls verlässt das Elternhaus und der Mann freit sie, das ist ein Wort, das heute gar nicht mehr gebraucht wird, also wenn der Mann sich verliebt hat, dann sagt man, er ist auf Freiers Füßen, also er freite die und die, und das heißt eigentlich, er versucht sie frei zu kriegen, zu lösen aus der Elternbindung. Und dann folgt sie ihrem Mann. Aber vielleicht hat der Erzähler hier so sehr den Adam im Blick gehabt, wie er denn zu seiner Frau steht, dass er beim Mann geblieben ist. Die Liebe, so erfahren wir hier, ist so stark, dass sie die Liebenden aus der Urliebesbeziehung zu lösen vermag, sie von Vater und Mutter zu trennen vermag. Und da wird dann manchmal noch sozusagen eine seelische Nabelschnur durchgeschnitten, und muss durchgeschnitten werden, so dass erwachsene Kinder sich aus dem Nest der Ursprungsfamilie locken lassen in die Freiheit und die Bindung einer neuen Beziehung, denn Liebe ist die Freiheit, sich zu binden. Liebe ist die Freiheit sich zu binden. Das kann auch noch einmal wehtun. Erinnern sie sich bei Trauungsgottesdiensten, wieviel Tränen da fließen, bei den Müttern, bei den Vätern nur die feuchten Augen? Abschied, Entbindung, seitens der Eltern. Aber die ist unbedingt nötig, damit es überhaupt zu einer neuen Beziehung kommen kann, wobei wir immer ein Stück Elternhaus in unsere Beziehungen mitnehmen, die Bilder und Vorstellungen, die wir von Ehe haben, die erfinden wir ja nicht erst, wenn wir heiraten, sondern die sitzen schon tief in uns drin, wenn wir von zu Hause ausziehen. Wir bringen unsere Elternehen mit in unsere eigenen Ehen hinein. Der erste Mann jeder Frau ist der Vater, und die erste Frau jedes Mannes ist die Mutter. Das darf man nicht vergessen. Und da passieren die Hauptprägungen, und wir bringen das mit. Und wir bringen da ne Menge Schätze mit und manchmal auch ne Menge Schrott mit. Nun will ich mich auch ein bisschen selber bloßstellen und ihnen sagen, ich habe z.B. ein Problem mit in die Ehe genommen, ich nenne das mal ein Zweifrauenproblem. Ich bin von meiner Mutter erzogen worden und von meiner 10 Jahre älteren Schwester,und ich hatte den Eindruck, die beiden waren sich manchmal Konkurrenz und ich hing dazwischen. Und ich hatte immer das Gefühl, ich muss es mit beiden halten, sonst ist es schlecht für mich, und habe das auch versucht wahrscheinlich und habe mich nie für die eine oder für die andere entschieden. Können sie sich vorstellen, was das für ein Problem ist, wenn man dann heiratet und dann denkt, ja jetzt habe ich mich ja für eine entschieden. Und die anderen? Wir bringen Schätze und Schrott mit. Und manche sind so belastet, oder auch so wenig zu Hause von Liebe gesättigt worden, dass sie innerlich nicht loskommen von den Eltern, immer noch an sie gebunden sind, sich gebunden fühlen, auch wenn sie hunderte Kilometer von ihnen entfernt leben. Und sie warten immer noch zutiefst darauf, dass die Mutter mal sagt oder der Vater mal sagt, Kind ich bin stolz auf dich, ich mag dich und ich hab dich gern. Und sie übertragen oft genug dann diese nicht erfüllten Erwartungen und Sehnsüchte auf den Partner, dass der dann der bessere Papa oder die bessere Mama sein soll und überfordern ihn. Und manche jungen Leute flüchten ja geradezu von zu Hause und ich kann es ja auch verstehen, flüchten in Beziehungen hinein, von denen sie hoffen, dass sie da das finden, was sie zu Hause nicht bekommen haben, und werden enttäuscht. Also es ist auch alles ein bisschen kompliziert. Liebe ist Freiheit. Und ohne diese Freiheit, sich zu lösen, gibt es auch nicht die Freiheit, sich zu binden. Und vielleicht ist es doch nicht ganz zufällig, dass hier steht, darum wird ein Mann seinen Vater und Mutter verlassen. Also ich finde, wenn ein Mann seinen Vater und vor allen Dingen seine Mutter verlässt, also da ist schon ne Menge passiert, wenn er die Mutterbindung aufgibt. Heirat ist Abschied aus Kindheit und Elternhaus, um gemeinsam das neue Land zu entdecken und ein Nest zu bauen. Aber es ist manchmal eine Entscheidung, die auch noch in den jungen Ehen getroffen werden muss und auch später. Es gibt doch Männer, die kommen nach Hause, und wenn sie mit der Mutter unter dem gleichen Dach wohnen, abends, dann sagen sie erst mal der Mutter guten Abend und sprechen sich bei ihr aus und dann gehen sie zu ihrer Familie. Habe ich so erlebt. Ich will ihnen noch eine Geschichte von mir erzählen. Als wir schon verheiratet waren, meine Frau hatte, glaube ich, gerade entbunden, oder stand davor, heiratete meine jüngere Schwester und meine Mutter schreibt uns eine Karte und schreibt nicht, liebe Inge, lieber Willy, sondern sie schreibt, lieber Willy, und sagt, und dann ist ja die Hochzeit von der Helga und dann sehen wir uns ja. Prost Mahlzeit. Sie können sich vorstellen, wie sauer und verletzt meine Frau, dass sie sie nicht einmal angesprochen hat, nicht gefragt hat, Inge passt das denn, geht das denn, Willy, kannst du gehen. Nee, wir sehen uns dann ja. Und dann habe ich alle Tapferkeit, die ich hatte zusammengenommen und hatte mich hingesetzt und habe meiner Mutter einen Brief geschrieben, und habe ihr geschrieben. Liebe Mutter, in dieser Sache möchte ich dir sagen, erst kommt Inge, dann kommen die Kinder und dann kommst du. Ich bin aber bei der Hochzeit tatsächlich gewesen, und meine Brüder kamen mir schon entgegen, sagt er, was hast du denn der Mutter geschrieben? Was hast du der Mutter geschrieben? Das war schon rund gegangen. Aber dann bin ich ihr begegnet, wir haben uns in den Arm genommen, es war alles klar. Sie hat es verstanden. Lasst eure Kinder frei. Und ihr Verheirateten, wenn´s sein muss, sagt euch innerlich von euren Eltern los, damit ihr ihnen wirklich begegnen könnt.
Und ein Letztes: Es heißt: Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen und sie werden sein ein Fleisch. Liebe ist totale Liebe.
Das Wort anhängen, das hier steht, bedeutet im Hebräischen eigentlich ankleben, also für Leute, die viel Distanz brauchen, die sollen jetzt bitte keine Panik kriegen, es heißt wirklich ankleben und zwar so aneinanderkleben sie, dass man den einen nicht vom anderen lösen kann, ohne beide zu zerreißen. Das ist der Sinn. Also es ist keine Briefmarkenumschlagsituation, da kann man ja den Umschlag ins warme Wasser legen, dann schwimmt die Briefmarke nach kurzer Zeit oben auf, dann kann man sie mit der Pinzette runternehmen, für Briefmarkensammler, sondern es heißt: Die kleben so zusammen, dass das unlösbar ist und wenn man es versucht zu lösen, zerreißt man beide. Liebe ist totale Liebe. Und dieses Wort sagt: die Trennung, hütet euch davor, ihr macht kaputt. Trennung löst nicht, sondern zerstört. Ihr verwundet beide.
Es gibt einen Beziehungstot und ein Leid- und Trauerfall, und Scheidungen werden übrigens wie Trauer in der Psychotheraphie behandelt. Und manchmal ist es leichter, einen wirklich verstorbenen Partner zu verlieren, als einen zu verlieren, der dann immer weiter lebt, und der einem auch noch begegnet. Dem Verstorbenen kann man wenigstens noch Blumen auf dem Friedhof setzen und sagen, was war er ein guter Mann, obwohl er es ja gar nicht mal war. Ich kann ihn idealisieren und keiner nimmt ihn mir.
Sie werden so aneinander hängen, dass du sie nicht trennen kannst ohne sie zu zerreißen. Und die beiden werden ein Fleisch sein, das meint nämlich genau diese Totalität, diese unlösliche Intimität der Liebenden. Ein Fleisch sein meint jedenfalls auch die Sexualität und den Geschlechtsverkehr, ganz klarer Fall. Die körperliche Intimität hat himmlische Lust und paradiesisches Vergnügen. Das hat Gott uns zum Glück auch mitgegeben, das uns keine Frömmigkeit miesmachen darf. Das ist ja oft genug geschehen. Es hat sogar das Kuriosum gegeben, dass also ernsthafte Theologen oder jedenfalls Bibelleser gesagt haben, der Sündenfall sei, habe darin bestanden, dass die beiden zusammen geschlafen hätten im Paradies. Sexualität ist ein Geschenk, das Gott uns schenkt, zum genießen und zum feiern. Und eine glückliche Beziehung lebt nicht unwesentlich von der gelingenden Sexualität.
Das muss man mal ganz schlicht auch zur Kenntnis nehmen. Von dieser immer neuen Entdeckung und immer neuen Beglückung, Adam erkannte seine Frau, d.h. er hat sie geliebt. Ehe, so nennen wir diese verbindliche Partnerschaft ja, lebt freilich nicht nur von der Sexualität, weit gefehlt. Ein Fleisch meint, nicht nur diese Außenseite, sondern meint die gesamte menschliche Existenz, meint auch die Seele, die Zartheit der Begegnung, den gemeinsamen Herzschlag, die Begegnung auf der emotionalen Ebene, und das zusammen schwingen der Gefühle. Für Männer ist das ein bisschen schwieriges Thema, meistens schwieriger als für Frauen, manchmal auch ein bisschen lästig. Wir werden morgen noch darüber reden.
Aber der Mensch ist nirgends so nackt, als wenn er sein Herz und seine Gefühle zeigt. Er ist nirgends so schön und nirgends so verwundbar, wenn er das tut, seine Liebe zeigt und seine Wunden, seine Sehnsüchte und seine Ängste, Da passiert die eigentliche Einheit. Und von dieser Einheit lebt auch die Sexualität, sonst verroht sie und wird brutal.
Aber wenn wir uns so voreinander zeigen in unserer seelischen Nacktheit, auch mit unseren hässlichen Seiten, die wir auf Dauer nicht verbergen können, dann muss ich mir gewiss sein, dass der andere mich nicht verachtet, dass ich ihm vertrauen kann. Ich muss mich dann darauf verlassen können, dass er nicht weg läuft und sagt: Nee, so nicht.
Ich brauche dann die Gewissheit, er lässt mich nicht sitzen oder stehen, sonst kann ich mich nicht zeigen. Deshalb sagt Emil Fromm zum Beispiel: Du kannst im Grunde nur einen Menschen wirklich lieben. Er ist kein Christ. Ein Fleisch sein heißt darum auch Treue. Ich muss mich drauf verlassen können, dass du auch dann zu mir stehst, wenn du dich vielleicht mal vor mir schütteln möchtest. Darum bedeutet ein Fleisch sein auch die gemeinsame Geschichte, die gemeinsame Lebenszeit.
Nur, wenn das klar ist zwischen Liebenden, wir bleiben beieinander
und wir bleiben uns treu, bilden wir den Schutz und Freiraum, dass die Liebe sich trauen kann, dass sie Leidenschaft leben darf und wir uns voll entfalten können auch in unserer Beziehungen. Sonst muss ich immer mich in der Hinterhand schützen und vergewissern. Das heißt also: Ein Fleisch ist die totale Lebensgemeinschaft in allen Bereichen, zu dem übrigens auch der soziale gehört, der gesellschaftlich, öffentlich rechtliche, denn das gehört ja auch zum Leben, dass wir Bürger und Individuen innerhalb eines Gesellschaftsgefüges sind, d.h. sie sollen es alle wissen, wir beide lieben uns, und wir beide haben es uns zugesagt und fest versprochen vor Gott, wir bleiben zusammen. Wir sind ein Paar, das sollt ihr wissen. Und manchmal frage ich mich, warum schämt ihr euch eigentlich, das zu bekunden, öffentlich zu bekunden. Ihr dürft das alle wissen. Und die anderen sollen es auch wissen, damit sie wissen, aha an den Mann oder die Frau da geht man nicht ran. Und weil das so ist, weil das dazugehört, sozusagen als Erkenntnis und als Erkenntnis von Außen und auch Schutz, haben in allen Zeiten die Menschen immer wieder nach Formen gesucht und immer wieder neue gefunden, die Liebe auch gesellschaftlich zu veröffentlichen und zu verankern, so dass wir uns in der Gesellschaft als Paar bekennen und die Gesellschaft uns als Paar erkennen kann, und uns doch hineinnehmen kann in die größere Gemeinschaft einer Bürgerschaft mit Rechten und Pflichten. Das Standesamt ist ja kein hochheiliges Unternehmen. Ich habe keine besondere Erinnerung an das Standesamt.
Ich musste 17,50 DM zahlen, aber das war sehr eindrücklich, aber mehr war das auch nicht, aber das Standesamt ist nun mal in unserer Kultur und Gesellschaft immer noch die Institution, durch die wir das können, das auch zur Liebe gehört, zu sagen: Wir bekennen uns öffentlich, wir lieben uns und wir wollen beieinander bleiben. Das dürft und sollt ihr alle wissen und bitte respektiert das auch. Ein Plädoyer für die Ehe? Ich weiß nicht, ob sie es jetzt so gehört haben? Unsere Geschichte schließt dann mit dem wunderschönen Satz: Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und sie schämten sich nicht. Das atmet ja noch etwas von dieser kindlichen Freiheit und fröhlichen Unschuld liebender Menschen. Davon haben wir ja viel verloren. Um das künstlich wieder reinzuholen, ziehen sich die Leute nackt aus, aber manchmal ist es nicht schamfrei, sondern nur noch schamlos. Aber es darf immer auch noch leben im Schutzraum verlässlicher Liebesbeziehung, auch noch nach dem Sündenfall. Heiraten? Was denn sonst?
Ein Plädoyer für die Ehe? Nun Adam und Eva hatten es insofern einfach, sie hatten nicht die Qual der Wahl. Wie sagte der kleine Junge, Papa hat es leicht gehabt, der hat einfach die Mama geheiratet, ich muss mir eine Frau suchen. Recht hat er. Aber die Stiftungsurkunde der Ehe ist nicht aufgehoben. Sie ist immer noch in Kraft. Das ist auch gut, dass es so ist, weil sie uns einen Weg weist und schützt und uns ermutigt.
Aber wir schaffen es nicht immer, sie umzusetzen. Viele kämpfen und leiden und zu viele Ehescheidungen dann. Aber auch sie sollen wissen, dass sie nicht dazu verurteilt sind, im Scheitern stecken zu bleiben, weil Gott die Liebe will und weil er seine wunderbare Erfindung der liebenden Gemeinschaft nicht aufgibt. Er hält daran fest und schenkt uns immer wieder die neuen Anfänge. Davon leben alle Ehen und das ist auch die Hoffnung für unsere Krisen und das gilt selbst auch noch fürs Scheitern. Gott gibt die Menschen nicht auf. Er gibt die Liebe nicht auf und er hat schon unendlich vielen die Kraft und den Mut und den Glauben gegeben, aus den Trümmern ihrer Beziehung ein neues Haus der Liebe zu bauen. Sie wohnen darin und sind glücklich. Er segnet eben gerne. Und er segnet auch uns und unsere Ehen. Amen
Breitscheid,d.11.11.05 – zum Ausdrucken
Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Willy Weber
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