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geschichtsübersicht
Die Ortschronik von Reinhard Kuhlmann - Seite 215

1910, Oktober 1. Errichtung der Gendarmenstelle in Breitscheid. Die Tonindustrie hatte im ersten Jahrzehnt oft allerlei Volk unter ihren Arbeitern: Italiener, Galizier pp., die sogenannten "Monarchen." Und ehe die neue Gesittung in diesem Jahrhundert auch auf dem Westerwald ihren Einzug hielt, gab es auch auf unseren Dörfern manchen rohen Gesellen. So kam es mehrmals zu Schlägereien, ja, in der Nacht zum 24. Juli 1907 wurde ein Italiener von einem Breitscheider erstochen. Diese Vorfälle waren wohl mit die Ursache, daß ein Gendarm herkam. - Die Gendarmen wohnten bis 1927 im Hause Braun am Erdbacher Weg und nach dem Aufbau des Hauses Otto Bechtum (in 1927) dort. (*)

1911: Sehr heißer Sommer.

1912, März 21. Viele Breitscheider erwarten den Untergang der Welt. Manche sollen, wie Pfarrer Weyel in der Kirchen-Chronik schreibt, "die ganze Nacht im Gebet zugebracht und das sichtbare Kommen des Herrn erwartet haben". Die Berechnung (aufgrund der Prophezeihungen Daniels und anderer) habe sich aber, wie der Pfarrer dazu bemerkt, "als bloße Ausgeburt eines kranken Gehirns erwiesen". (Den Untergang der Welt und damit die leibhaftige (!) Wiederkunft Christi haben schon viele Zeitgeschlechter als für sie bevorstehend geglaubt, besonders in Kriegszeiten, wenn ein Volk über das andere kam, und wenn andere in den letzten Reden Jesu angegebene Vorzeichen des Weltuntergangs zu beobachten waren. - Vor dem Jahre 1000 erwartete die Christenheit allgemein das Ende der Welt. - Luther sagt von seiner Zeit: "Die Welt ist veraltet und wird bald verwandelt werden. Sie geht auf die Neige". Er ist der Ansicht, daß seine Zeitgenossen "den jüngsten Tag noch erleben werden". - Das Konsistorium von Bayreuth war 1582 gegen die Einführung des heutigen Kalenders, "weil aus Gottes Wort und andern Gründen bewußt sei, daß der jüngste Tag nahe vor der Türe stehe". - Professor Horche von Herborn schrieb 1699 an seine Frau, als er um seines Glaubens willen gefangengesetzt worden war: daß solches den Knechten Gottes geschehe, daran merke man, "daß Christus mit seinem Reiche nahe vor der Türe sei". - Jung Stilling war mit vielen Frommen seiner Zeit der Meinung, daß die Napoleonischen Kriege das Ende der Welt einleiteten. - Nach dem Weltkrieg glaubten viele in Breitscheid, der jüngste Tag sei nahe. Prediger Nagel schrieb im "Allianzblatt", daß man "das Einbiegen in endgeschichtliche Linien" wahrnehmen könne. Noch ein anderer Prediger sei erwähnt, der ebenfalls in einem Schriftchen die Mitglieder der Freien evangelischen Gemeinde in dieser Richtung beeinflußte: Fritz Kaiser. Er schrieb in dem Heft: "Der Tag des Herrn": "(Das Ende nahet. Alles spitzt sich darauf zu, das bedarf keiner Frage".)


*) In der Erzählung "Die Freibrüderschaft" (in dem Buche [Sammelband] aus dem Westerwald", S. 279 ff) schildert Philippi die Ankunft eines solchen Arbeitertrupps: "Viel schlimmer als die ägyptische Plage m..s Menschenvolk kam, daß Himmel und Erde sich wunderte. Mit langen Schritten stieg das Volk heran, in Leder bis weit übe die Knie, und wenn's hoch kam, hing an dem Schippenstiel über der Schulter ein Handkoffer. Truppweise rückten sie ins Dorf ein, eine trotzige Kumpanei mit breitrandigen Hüten, die Faustfinger, Gewitter und Schnee gewohnt waren. Sie standen vor dem Gemeindehaus, als wär's ihnen gleich recht, sich auf dem Fleck Erde hinzuwerfen zum Nachtlager, zum Grauen aller der Leute, die es zum ordentlichen Menschen rechnen, daß er in einem Bett schläft, und wär's auch nur ein Moosbett wie im Armenhaus."

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von Kornelia Pelz übersetzt

 

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zitiert aus dem "Herborner Tageblatt"

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