ler Menschen. Die Soldaten wurden freundlich aufgenommen und bewirtet. Nun war wieder Leben im Dorf. "In der Heimat, da gibt's ein Wiedersehn" tönts abends zu mir herüber. Abfahrt der Truppen am 30. morgens um 7 Uhr im Morgengrauen über Medenbach nach Marburg zu. Nach dem Einzug der Soldaten wurde das Gemeindehaus bekränzt. Am 29. abends zwischen 10 und 11 Uhr kam noch Artillerie ins Dorf. Kanonen und Wagen standen von der alten Schule am Kirchenweg bis an den Schulweg zur Schule in der Lück. - Am 30. nachmittags kam noch weitere Garde-Fußartillerie hinzu. Die Kanonen hatten sie größtenteils zurücklassen müssen. Sie waren bei Remagen über den Rhein gezogen, dann über Altenkirchen, Neukirch hierher. -
1. Dezember. Abfahrt der am 29. angekommenen Artillerie. -
2. Dezember. Pferdebesichtigung am Erdbacher Weg, der Pfarrwiese entlang. Ich überschaue die lange Reihe vom Fenster aus. Aussehen und Haltung der Pferde reden eine stumme Sprache von dem Schweren, was diese Tiere hinter sich haben. Als sie in der ersten Nacht nicht alle untergebracht werden konnten, sagte ein Soldat in Schumanns Wirtschaft, es sei doch nicht recht von den Leuten, daß sie die Tiere zum Teil draußen in der Kälte stehen ließen, wenn sie wüssten, was diese Pferde geleistet hätten im Krieg, würden sie den Hut vor ihnen ziehen. Abzug dieser am 30.11 angekommenen Artillerie am 3. 12. Einige Pferde bleiben als ausgemustert zurück. Die Ortsbehörde versteigert sie zu 20 M, zu 40 M, jenachdem. Ein Bauer kaufte ein Pferd für 52 M, das ¾ Jahr später 6000 M wert war. (Beginn der Inflation!) (*) Einer von unseren drei Artilleristen entließ sich selbst am Nachmittage vorher. Meldete es aber doch dem Hauptmann. Dieser sagte: "Nun, wie Sie wollen". Es waren darunter 2 Berliner; verständige, ältere Leute. Man muß im Umgang mit unseren Soldaten immer ihren hohen Bildungsgrad bewundern. Die vier Kriegsjahre haben ihr Wissen erweitert, ihr Urteil geschärft. Der vorzeitige Ausreißer verkaufte Decken und andere Ausrüstungsgegenstände und steckte das Geld ein. So werden die dem Reiche gehörigen Sachen zum Teil verschleudert und niemand, weder der Verkäufer noch der Käufer, macht sich ein Gewissen daraus. Ja, einige der Soldaten sind derart gewissenlos und verroht, daß sie in der Nacht den im Frost stehenden Pferden die Decken nehmen und verkaufen. Abgesehen von diesen Einzelfällen machen die Soldaten sonst einen guten Eindruck. Alles geht in Ordnung her. Ein Unteroffizier, dem ich meine Verwunderung darüber aussprach, sagte mir: "Ja, die Ordnung halten wir von uns aus aufrecht, vom Soldatenrat aus, der aus 1 Offizier, 1 Unteroffizier und 2 Gemeinen besteht." Die Soldaten sehen selbst ein, daß Ordnung sein muß (besonders würde im gegenwärtigen Zeitpunkt ein regelloses Auseinanderfluten die Heimat in große Gefahr bringen), sie wollen sich gern den Notwendigkeiten fügen, nur Schikane dulden sie nicht mehr. Hindenburg folgen sie nun wieder lieber, nachdem sie gesehen haben, daß er das Vaterland auch jetzt in seiner ernsthaften Stunde nicht im Stich läßt. -
3. Dezember. Viele Truppen ziehen durch nach Erdbach und Medenbach zu: Infanterie und Artillerie. Die Artillerie zum Teil im Laufschritt. Kraft ist noch da. Die Infanterie wird von Musik begleitet, stramm im Schritt geht es nach den Weisen des Marsches bis ans Gemeindehaus, dann in die Quartiere. Am 4. und 5. Dezember steigert sich noch die Zahl der durchziehenden Truppen, Infanterie und Artillerie. Die Infanterie am 5. Dezember hatte wieder Musikbegleitung. Ein Breitscheider Mädchen
*) Im Bereiche unserer Gemarkung waren etwa 9 Pferde gefallen. Ein am Gusternhainer Weg wohnender Witwer pökelte sich Pferdefleisch ein und verwahrte es in großen Töpfen auf dem Speicher. Bei einer Bestandsaufnahme von Getreide oder dergleichen dringt dem Gendarm und seinem Begleiter ein starker Geruch entgegen, der den Töpfen entsteigt. Wieder unten angekommen, finden sie den kleinen Mann hinterm Tisch sitzen und sich an Pferdefleisch erlaben, das er in den Händen hält. "Nun, Herr W. schmeckts?" fragt der Gendarm, worauf es ihnen zuversichtlich entgegentönt: "Dos glaaw ich!" - (Der Mann starb später an Krebs.)
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von Kornelia Pelz übersetzt
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