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Über Fritz Philippi (Fortsetzung von Seite 214!)
In den nun nach und nach weiter entstehenden Westerwälder Erzählungen sucht der Dichter
die Klippen zu umschiffen, an denen er in seinem ersten Buche gescheitert war. Er staffier=
te die Figuren seiner Bauerngeschichten so aus, daß nicht oder doch schwer zu erkennen war, wen sie
darstellten. "Unter den langen Dächern" so lautete der Titel des neuen, 1907 erschienen Buches *)
bedeutete auch sonst einen Fortschritt in Philippis Werdegang als Dichter. Welche feine sinnige
Erzählung die erste darin, "Das Heidekreuz"! Was seine hiesige Amtszeit für Philippi bedeutet
hat, hat er stets dankbar anerkannt. Hier in der Stille ist er zu sich selber gekommen,
an den Kämpfen aber entwickelten sich seine Kräfte, ja hier ist, wie er selbst später be=
kennt, seine Menschwerdung vor sich gegangen. Noch 1 ¾ Jahre blieb Philippi nach der
bewegten Zeit des Frühjahrs 1903 noch hier. Daß er dann zum Wanderstab griff, dazu
mußte das Schicksal noch mithelfen, wenn man will, der Zufall. Die Freiendiezer Pfarr=
stelle war frei geworden, und einstimmig wurde Philippi dort gewählt. Da seine
Kinder heran wuchsen und der Pfarrer ihnen doch gern eine bessere Schulbildung angedeihen lassen
wollte, entschloß er sich, die Stelle anzunehmen. Aber leicht ist ihm dies nicht gefallen:
"In dieser Zeit wußte ich, daß der Mensch immer hinterher erfährt, was er aufgibt. Die Ah=
nung beschlich mich, daß ich nirgendwo wiederfinde, was ich hier hatte. Der Entschluß, zu ge=
hen, sollte mir blutsauer werden, das war die Absicht der Westerwälder Heimat.
Und doch war meine Zeit um... Das Dorf stellte mir keine neuen Aufgaben mehr."
So ist also der Weggang Philippis von hier in den natürlichen Gegebenheiten begründet und
muß nicht mit seiner dichterischen Betätigung zusammenhängen. In der letzten Eintra=
gung Philippis in die Kirchen Chronik vom 10.11.1904, leider hat er nur eine erste und eine
letzte gemacht, kommt eine gewisse Missstimmung des Pfarrers zum Ausdruck.
Der Schluß darin lautet: "Nun stehe ich vorm Scheiden. In die trockene Chronik pas=
sen die Gedanken nicht, die mich da erfüllen. Also kann ich sie für mich behalten.
Nun sei uns der Westerwald zum Letzten gnädig und werfe uns den Möbelwa=
gen nicht um
mit Schnee und Eis und lasse meine drei Wäller Mädchen gut
ins Lahntal kommen.
Am 18. Oktober wurde ich einstimmig zum Pfarrer von St. Peter
bei Diez gewählt."
Vermutlich rührte diese schlechte Stimmung, die im Augenblick des
Niederschreibens den Pfarrer beherrschte, von dem Zerwürfnis mit dem Fabrikherren her,
der ihn ohne Grund beim Dekan angeschwärzt hatte. Denn in dem Briefe an mich vom
24. 03.1920 von Wiesbaden
schreibt Philippi am Schlusse: "Ich plane in meinem Urlaub einmal
über die alten Stätten zu wandern, wo ich so glücklich war, ehe der lange Schornstein
erstand (Siehe die Urschrift
Seite 256) Auch seine Witwe weist in ihrem Briefe (Siehe Seite 423)
darauf hin, daß ihnen
Ihr Hiersein durch die Feindschaft des Dr. Schick schließlich vergällt wor=
den sei.
Von Philippis wirklicher Einstellung zu seiner Westerwaldgemeinde, der er auch
immer treu geblieben ist, zeugt sein Abschiedsweh, das er wie folgt zum Ausdruck bringt:
"Der Kirchhahn schreit im hellem Zorn: Herr Pfarrer, was tat dir Wildendorn?
Was hat dir der Westerwald getan, daß du ihn schaust mit dem Rücken an?
Läßt einer sein Eigen (!) so im Stich, die Heide, die Leut, deine Kirche und mich?!
Ich hier von meinem hohen Stand, sag: Pfarrer, das ist dir eine Schand.
Fahr hin und ab zu Stadt und Lahn!- So treibt den Narren zum Markt der Wahn!"
*) In 1907 erschien auch das Buch "Von der Erde und vom Menschen", das aber in Breitscheid nicht bekannt wurde.
Seine vier Erzählungen " Der Landwolf, Das Borntier, das Schutzescheusel und Als ich meinem Schatten nachging",
sind später in den Sammelband
"Aus dem Westerwald" aufgenommen worden.
aus der alten Handschrift übersetzt durch Hans Henn
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