Toleranz und Wahrheit
Vielleicht hat jemand, als er diesen Titel gelesen hat, sich gedacht, es müsste eigentlich heißen: Toleranz oder Wahrheit. Pluralistische Gesellschaft, darüber wurde schon etwas gesagt zu Eingang, heißt, dass verschiedene Plurale, viele Möglichkeiten des Lebens, der Lebensformen, der Lebenswirklichkeit gelebt werden können. Und deshalb ist eine pluralistische Gesellschaft auch kritisch, man könnte auch sagen allergisch gegen Wahrheitsansprüche aller Art. Es geht in einer pluralistischen Gesellschaft offensichtlich darum, dass jeder nach seiner Fasson selig werden kann. Und diese Aussage einer pluralistischen Gesellschaft ist natürlich für den christlichen Glauben in einer ganz besonderen Weise bedrohlich. Und etwa das leere Grab, wer damals dagewesen ist, der hätte das sehen können, hätte das bestätigen können, oder hätte sagen können, nein es ist nicht leer. Es ist eine Tatsachenwahrheit. Der christliche Glaube lebt aber von mehr, als von historischen Tatsachen-aussagen, er lebt auch von personaler Wahrheit.
In diesen 3 Punkten möchte ich das Thema behandeln. Also 1. Wahrheit und VerlässlichkeitWas meinen wir, wenn wir von Wahrheit sprechen? Der Gießener Philosoph Odo Marquardt hat gesagt, man soll eigentlich nur Referate zu Themen zusagen, mit deren Begriffen sich das historische Wörterbuch der Philosophie schon beschäftigt hat. Das historische Wörterbuch der Philosophie ist seit 30 Jahren zugange und sie sind immerhin schon beim Buchstaben V gelandet. Man kann über Glaube, Liebe, Hoffnung sprechen, leider noch nicht über Wahrheit, weil Wahrheit kommt ja bekanntlich nach V, und da gibt es noch keinen Artikel. Was macht man jetzt als Referent, man hat also ein echtes Problem, man braucht ja zunächst mal eine gute Definition. Ich habe Die Frage nach der Wahrheit entspringt einem ursprünglichen Interesse an verlässlicher Lebensorientierung. Sie ist eine Grundfrage des menschlichen Lebens. Da sie alle Lebensbezüge durchdringt, sind in ihr Erkennen und Handel, Theorie und Praxis noch unbeschieden. Wir haben übrigens im Deutschen einen sehr schönen Begriff: Ich verlasse mich, also ich verlasse mich, ich muss mich auf jemand anderen, auf etwas anderes verlassen. Und wir brauchen Verlässliches. Der kritische Punkt in der Frage nach der Wahrheit ist die Frage nach der Skepsis. Und ich möchte deshalb einen ganz kurzen Exkurs hier an dieser Stelle einfügen über dieses Verhältnis von Vertrauen auf die Verlässlichkeit, auf Lebensorientierung, was für uns nötig ist, und Skepsis demgegenüber. Ich beginne mit dem Begriff der Skepsis. Zunächst mal ist es so, dass landläufig die meisten Menschen denken, Skeptiker das ist also das Gegenteil von einem Glaubenden. Genau wie man sagt, Toleranz und Wahrheit, müsste eigentlich heißen, Toleranz oder Wahrheit. So sagen viele Glauben und Skepsis müsste eigentlich heißen, Glauben oder Skepsis. Auf der einen Seite gibt es sozusagen die Glaubenden, vielleicht die Religiösen, mehr subjektiv veranlagten, und auf der anderen Seite gibt es so mehr die objektiven, die Skeptiker, die vielleicht mehr wissenschaftlich veranlagt sind. Wenn wir uns aber mit diesen beiden Begriffen näher beschäftigen, dann stellen wir fest, dass wir beides in uns haben, und dass wir auch beides brauchen. Skepsis fand ich mal in einem griechischen Wörterbuch, heißt, etwas prüfend aus der Distanz betrachten. Also ein Skeptiker ist jemand, der etwas prüfend aus der Distanz betrachtet. Und das ist auch nötig. Wenn alles wahr wäre, was wir hören, sehen oder lesen, dann müssten wir nicht skeptisch sein. Es ist aber nicht alles wahr, was wir hören, sehen oder lesen. Deshalb ist Skepsis Der Kabarettist Dieter Hildebrand sagte einmal: Wer sagt, ich glaube nur, was ich sehe, der glaubt inzwischen alles, weil man inzwischen alles sehen kann. Man kann alles darstellen. Also wer Forest Gump etwa gesehen hat, diesen Film, der weiß, der Satz, ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, der stimmt nicht, denn die Bilder, die man da gesehen hat, die waren täuschend echt, aber sie waren eben nur täuschend echt. Sie stimmten nicht. Es gibt Täuschung, es gibt Irrtum und es gibt Lüge. Deshalb muss man skeptisch sein. Man kann aber nicht nur von Skepsis leben. Es gibt Familiensprüche, ich nehme an, das kennen sie auch, Es gibt Sätze, die in ihrer Familie ab und zu mal gesprochen worden sind und die haben sich in ihnen festgesetzt und haben ihr Lebensbild mitgeprägt. Als ich darüber mal nachgedacht habe, bei uns zu Hause, da ist mir mein Vater eingefallen, der immer, wenn ein Politiker im Fernsehen sprach, sagte, das ist alles gelogen. Der Gießener Philosoph Odo Marquardt, den ich schon einmal mit einem Spruch zitiert habe, möchte ich nochmal zitieren. Der hat gesagt, so wie es in der Physik den Satz von der Erhaltung der Energie gibt, gibt es beim Menschen den Satz von der Erhaltung der Naivität. Er wollte damit ausdrücken: Keiner kann nur skeptisch sein, sondern wir haben alle einen Naivitätspegel oder positiver gesprochen einen Glaubenspegel. Wir vertrauen alle. Es gibt nun viele Menschen, die meinen, das sei der christliche Glaubensbegriff. Da kann ich beruhigen, das ist er nicht. Glauben, kann man z.B. den Deutschen klarmachen, hängt mit geloben zusammen, angeloben ist eine sehr enge personale Beziehung. Glauben hat Wir sind z.B. heute Abend hier alle eine Gemeinschaft von Glaubenden. Wir haben alle geglaubt, dass dieser Abend um 20 Uhr stattfinden würde. Es gab dafür vorher keinen Beweis, es gibt auch anschließend keinen Beweis, es sei denn, man würde sich auf eine Frage des Beweises einigen, was man als Beweis anerkennen will. Aber wir haben geglaubt und vertraut, dass jemand uns sagt, es findet statt. Oder wir haben einen Zettel gelesen, ein grauer Zettel, da stand drin 20 Uhr. Und was auf grauen Zetteln steht, glauben wir grundsätzlich. Im Lateinischen, das Wort für Glauben heißt übrigens credere, da hängt das Wort Kredit mit zusammen. Credere ist zusammengesetzt aus cor und dare und heißt, das Herz geben. Das meint also Glauben eigentlich. Glauben und Vertrauen ist also eine Weise des Lebens, was grundsätzlich ist für uns, und zwar nicht nur als Kind. Viele werden sagen, das ist klar, ein Kleinkind muss natürlich vertrauen, seinen Eltern, später vielleicht Freunden, Lehrern, sondern wir bleiben unser ganzes Leben lang Vertrauende. Es ist sogar so, wir werden später Vertrauende, Glaubende von Institutionen. Wir glauben der Institution des Arztes. Wir glauben der Institution des Piloten, des Mechanikers, des Kochs. Wir können nicht immer alle Mahlzeiten überprüfen, chemisch überprüfen, bevor wir sie zu uns nehmen. Wir sind Glaubende. Dieses Wort im Deutschen: Ich verlasse mich, das ist etwas ganz Wesentliches, was unser Leben auszeichnet. Wir müssen uns beständig verlassen. Wir müssen vertrauen. Wahrheit, also wir wollen ja dem vertrauen, was wirklich verlässlich ist, was Orientierung gibt. Wahrheit ist die Frage nach der Verlässlichkeit. In allen wichtigen Fragen unseres Lebens gehen wir davon aus, dass es Wahrheit gibt. Ich nenne ihnen 4 Beispiele: Beispiel 1 in der Wissenschaft. Die Wissenschaft geht davon aus, dass es Wahrheit gibt. In der Medizin, dass es Medizin gibt, die heilt und hilft und andere, die es eben nicht tut. Bei Vor einigen Jahren hat ein amerikanischer Physiker Alan Sokal die Welt in Amerika, aber dann auch in Europa dadurch in Atem gehalten, dass er zunächst einen Aufsatz geschrieben hat, der veröffentlicht wurde, wo er dargestellt hat: Alles, was in der Physik als Naturgesetze dargestellt wird, die physikalischen Gesetze sind gar keine physikalischen Gesetze, die was mit der Wirklichkeit zu tun haben, sondern das sind einfach interessengeleitete Aussagen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Das wurde abgedruckt, wurde diskutiert. Dann hat Sokal einen neuen Artikel geschrieben und gesagt, April, April, das stimmt natürlich nicht, sondern die 2. Bereich: Die Sprache.Unsere Sprache geht davon aus, dass es Wahrheit gibt. Unsere 3. Wahrheit und GeschichteEs ist kein Zufall, dass Spähmann ein Beispiel aus der Geschichte genommen hat mit Brutus und Cäsar, weil, wie ich eben schon mal sagte, wenn wir eine Geschichte hören, sehen oder lesen, stellen wir uns immer wieder die Frage: Ist das wahr oder ist es nicht wahr ? Das hören wir automatisch mit und das ist eigentlich sehr interessant, dass das Evangelium eben eine Erzählung von Geschichten ist. Oder Wahrheit und Alltag. Keiner von uns geht davon aus, dass wir irregeführt werden, bewusst irregeführt werden. Wenn wir fragen stellen, wo ist der Bahnhof, natürlich kann´s mal sein, wir werden in die falsche Richtung geschickt, oder wenn wir jemand fragen nach dem Wetter draußen, nach seinem Geburtstag. Wir gehen immer davon aus, es gibt eine Antwort, die ist auch deckungsgleich mit der Wirklichkeit. Wir sagen nicht, dass es gar keine Wahrheitsmöglichkeit gibt, doch die gibt es. Oder stellen sie sich vor, sie bekommen von der Bank einen Bankauszug geschickt. Da steht drauf für ihr Konto, sie haben 2000 Euro Minus. Jetzt sind sie der Meinung sie haben 2000 Euro Plus. Das sagen sie doch auch nicht postmodern: Dass viele in der Gottesfrage nicht davon ausgehen, dass es eine Wahrheit gibt, oder in vielen ethischen Fragen, das hängt damit zusammen, dass viele Menschen glauben, die Gottesfrage sei völlig unerheblich, irrelevant. Dann natürlich kann man sagen, jeder nach seiner Fasson. Aber wir gehen in den Dingen, die für uns von Bedeutung sind, davon aus, dass es eine Wahrheit gibt, sei es in der Wissenschaft, in der Sprache, in der Geschichte oder auch in unserem Alltag. Sogar in der Ethik sagen wir nicht, es ist alles gleichgültig, was ja in Deutschland ein schönes Wortspiel ist: gleich gültig, hier mal (prima) auseinandergeschrieben ist nicht ganz so schön, als wenn man es zusammenschreibt. Es ist alles gleichgültig. Aber wir sagen nicht es ist alles gleichgültig: 2. Wahrheit und ToleranzAlso Punkt 1: Wahrheit und Verlässlichkeit: Wahrheit heißt Lebensorientierung und Verlässlichkeit. Die brauchen wir auch, und die haben wir auch. 2. Was ist Toleranz ? Das historische Wörterbuch der Philosophie ist schon beim Buchstaben V, d.h. sie haben schon eine Definition für Toleranz. Ich möchte sie jetzt trotzdem nicht vorlesen. Die Toleranzdefinition geht ungefähr so: Toleranz heißt das Erdulden von anderen Meinungen. Dulden, Hinnehmen, Respektieren. Toleranz kommt aus dem Lateinischen “tolerare” und heißt eben erdulden. Sagen wir mal bei Friedrich dem Großen wird immer gesagt, der war ein sehr toleranter Mann, weil der diesen berühmten Satz sagte: In meinem Land kann jeder nach seiner Fasson selig werden. Das Problem bei ihm ist. Er hatte überhaupt keine Meinung in der religiösen Frage. Von daher musste er auch keine andere tolerieren. Also eigentlich nach der Definition fällt er als toleranter Mensch aus. Tolerant ist nämlich nur der, der eine andere Meinung erduldet, d.h. da steckt auch das Motto des Leidens mit darunter. Man leidet darunter, dass man verschiedener Meinung ist. Aber man duldet die andere. Nun gibt es Grenzen der Toleranz ? Selbstverständlich, z.B. alle Wissensfragen haben eine Toleranzgrenze. Also wenn jemand sagt, ich möchte gerne in die Vereinigten Staaten fliegen und kauft sich ein Ticket nach New York, kann ich ihn natürlich dahinfliegen lassen, weil, wenn er ankommt, wird er schon merken, dass er nicht in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten gelandet ist. Ich bin da tolerant und lasse ihn also dahinfliegen. Oder aber ich könnte ihm sage, also wenn du wirklich in die Hauptstadt der Vereinigten Staaten willst, würde ich dir empfehlen, ein Ticket nach Washington zu kaufen, denn dann wärst du genau da, wo du hinwillst. Was heißt Toleranz ? In dem Zusammenhang hat Goethe gesagt, Toleranz ist Menschenverachtung. Weil einen in seinem Irrtum belassen ist Verachtung. Alle Wahrheitsaussagen sind insofern also intolerant. Also wer sagt 2 + 3 = 7 und will auf dieser Basis Häuser und Brücken bauen, was heißt jetzt Toleranz ? Also was kann der Staat da überhaupt sozusagen zulassen. Er kann manches gar nicht zulassen. Oder denken sie an eine ganz große Demonstration vor etwa 2 Jahren. Da gab es eine Demonstration, da wurde aufgerufen zum Aufstand der Anständigen. Gab es eine riesige Demonstration: Aufstand der Anständigen. Nun ist der Titel natürlich sehr kritisch, weil wenn man an einer Demonstration, die unter dem Titel “Aufstand der Anständigen” teilnimmt, kann es leicht dazu führen, dass man sich schon für anständig hält, nur weil man an der Demonstration teilgenommen hat. Das ist natürlich etwas kritisch. Es gab auch Leute, die sagten (es ging um Ausländerfeindlichkeit) vielleicht wäre ein Aufstand der Zuständigen noch besser, also die, die jetzt auch zuständig sind, dass sie die Verhältnisse irgendwie bessern, dass die vielleicht einen Aufstand machen und einige Dinge klären helfen. Weil, die meisten verwechseln Toleranz mit Indifferenz, also halten Friedrich den Großen für tolerant. Er war einfach indifferent. Es war ihm alles egal. Von daher brauchte er keine Toleranz. Toleranz heißt aber auch immer, hat immer eine Grenze und eine Kehrseite der Intoleranz. Und wenn das damals auch eine große Demonstration war für Toleranz, war es gleichzeitig auch eine Demonstration für Intoleranz, dass man sagte, das (Ausländerfeindlichkeit) dulden wir nicht. Also Toleranz heißt auch immer Intoleranz. Man kann nicht nach allen Seiten offen sein. Früher gab es diesen Satz, wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein. Man kann nicht nach allen Seiten offen sein. Also es geht nicht nur um Wissensfragen, sondern es geht auch um inhaltliche Bewertungsfragen. Von daher steht jeder Mensch und auch jeder Staat immer wieder neu vor der Frage: Wo ist die Grenze der Toleranz? Denn Toleranz hat eine Grenze, denn sonst wäre es einfach Beliebigkeit, die nicht lebbar ist. Keiner kann Beliebigkeit leben, weil wie gesagt Kindermord von Kinderliebe sollte man schon noch unterscheiden und nicht sagen, es ist alles gleichgültig. Wir kommen also um Urteile und Bewertungen nicht umhin. Auch ein Staat muss z.B. sich immer die Frage stellen, wo sind die Grenzen der Toleranz, und man hat jetzt ja wieder neu der Terroristen des Jahres 77 gedacht und festgestellt, das Gewaltmonopol muss grundsätzlich beim Staat sein. Kein Staat kann dulden, dass ein Bürger einen anderen umbringt. Kein Staat kann Kindesmisshandlung, Folter oder kriegerische Attacken einfach hinnehmen. Das eine ist Nathan der Weise. Es gibt wohl nichts, was auch im religiösen Bereich das Toleranzdenken des Westens so stark beeinflusst hat wie Nathan der Weise. Sie erinnern sich, haben sie sicher in der Schule auch gehabt, sozusagen Pflichtlektüre, es geht dabei darum, dass ein Ring vererbt wird, von einer Generation an die nächste, und dann gibt es die Situation, dass ein Vater 3 Söhne hat, die er alle gleich liebt. Und er will nicht nur dem einen den echten Ring geben, sondern lässt 2 Falsifikate herstellen. Und zwar hat das Lessing ja Ende des 18. Jahrhunderts als ein Beispiel genommen über den Unterschied der 3 Religionen, der damals halt im wesentlichen bekannten Religionen, Judentum, Christentum, Islam. Das ist ja sein Beispiel in dieser Geschichte. Und er wollte zeigen, dass es eigentlich uninteressant ist, herauszufinden zu versuchen, welches der 3 Religionen die wahre ist, sondern man kann eigentlich, wenn man in seiner Religion richtig lebt, schon alle Gebote erfüllen. Warum er so dachte, hängt damit zusammen, dass er der Meinung war, der Kern aller Religionen ist die tätige Liebe. Das war seine Meinung. Und er war der Meinung, in der Liebe tätig sein, kann man, egal, was man für einen Ring trägt. Und das hat allen immer eingeleuchtet. Das Ganze hat natürlich mindestens 2 Probleme. Das eine Problem besteht darin, ob die Definition stimmt, dass der Kern der Religionen die tätige Liebe ist. Fragen sie einen überzeugten Moslem, ob er sagt, das Wichtigste deiner Religion ist die Ethik. Er wird sagen, das Wichtigste ist, es gibt keinen Gott außer Allah. Fragen sie einen Juden, was das Wichtigste an seiner Religion sei, das Wichtigste ist die Ethik. Er wird sagen, das Wichtigste meiner Religion ist nur Gott allein. Fragen sie einen Christen, was das Wichtigste seiner Religion ist. Ich glaube, das Ganze ist ein Missverständnis von Lessing, dass er die Religionen vereinahmt hat, indem er festgelegt hat, was das Wichtigste ist. Nehmen wir einmal an, es hätte ein Vater ein Kletterseil vererbt. Und es wären 2 Falsifikate hergestellt worden. Beim Kletterseil weiß man, es hängt alles davon ab, ob sie strapazierfähig sind, und dass sie nicht fadenscheinig sind. Von daher hätte wahrscheinlich jeder gesagt, also ich möchte, bevor ich mich damit auf den Berg wage, und mein Leben davon abhängt, dass ich am richtigen Seil hänge, möchte ich erst geklärt haben, welches von den 3 Seilen das Richtige ist. Was heißt, das was Lessing gemacht hat, ging auch nur, weil er der Meinung war, die Gottesfrage ist irrelevant. Wenn man aber der Meinung ist, wie es etwa die Religionen sind, dass die Gottesfrage nicht irrelevant ist, dann hängt schon alles davon ab, was ist der echte Ring, weil der Andere wird gar nicht retten können. Also es hängt bei dem Kletterseil alles davon ab, hängt Ein 2. Beispiel, was für viele auch ein ganz wichtiger Punkt ist in der religiösen Frage, ist das Beispiel des Hinduismus. In unserer Zeit glauben viele, dass der Hinduismus eigentlich das Vorbild ist für eine tolerante Religion. Es gibt ein Zitat, etwa von Ghandi, was in diesem Zusammenhang schon mal zitiert wird, der gesagt hat, ich kann über eine andere Religion nicht richten. Nun muss man, wenn man sich das näher ansieht auch feststellen, dass natürlich auch der Hinduismus ein Dogma hat. Es ist nicht so, dass es ein Kampf ist sozusagen zwischen dogmatischer Religion, Christentum und undogmatischer, Hinduismus, sondern es treffen 2 Dogmen aufeinander. Das Dogma des Hinduismus heißt, Gott ist prinzipiell unerkennbar. Und wenn eine Religion kommt oder eine Aussage kommt wie von Jesus, der sagt, ich bin die Wahrheit, dann sagt der Hinduismus, das kann nicht stimmen, weil oder nur in dem Sinne, wie wir alle die Wahrheit sind. Also wie jeder von uns Gott ist. Es gibt glaube ich 333 Millionen Götter im Hinduismus, so ist Jesus auch Gott. Das heißt, der Hinduismus ist nur tolerant gegenüber hinduistischen Konzepten, wie interessanterweise auch der Pluralismus nur tolerant ist gegenüber pluralistischen Lebenskonzepten. 3. die Frage von Wahrheit und Gewissheit.Ohne Wahrheit gibt es also keine Toleranz. Nur wer wahr ist kann etwas tolerieren, weil er darunter leidet, dass andere eben nicht die Wahrheit kennen oder nicht einmal nach der Wahrheit suchen. Man kann Wahrheit nicht mit Gewalt vermitteln. Das ist ein Missverständnis. Man kann auch nicht mal, wenn einer sagt 3 mal 3 sind eben 15, nicht mal das, was es heißt das mit Gewalt vermitteln, ich schlage so lange auf ihn ein, bis er 9 ruft. Was heißt das? Das ist gar nicht möglich. Also wer bei seiner Meinung bleiben will, kann, also wer z.B. sagt, alles ist determiniert in dieser Welt, der ist argumentativ, selbst wenn es Gründe gibt, nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Wahrheit und Gewissheit. Ich komme zu 2 anfänglichen Definitionen zurück, einmal zu dieser Definition von diesem Bonner Philosophen Baumgartner, der gesagt hat, man kann genauso gut von einem wahren Freund wie von einer wahren Aussage, wie von einer wahren Begebenheit sprechen. Wenn wir uns das anhören und sagen, das stimmt, es gibt einen wahren Freund, also einen auf den man sich verlassen kann, es gibt ne wahre Aussage, also eine Aussage, da ist der Bahnhof und tatsächlich, da ist er, und eine wahre Begebenheit, dass man sagt, es hat etwas in der Geschichte stattgefunden, und das stimmt wirklich, da muss man doch sagen, dass diese 3 Wahrheitsbegriffe letztlich unter 2 verschiedenen Kategorien zu sehen sind. Und wir kommen wieder zurück, und damit möchte ich also den 3. und letzten Punkt schließen, bei Wahrheit und Gewissheit, zur Frage der Tatsachenwahrheit und der personalen Wahrheit. Wir haben es in unserem Leben immer mit diesen beiden Dingen zu tun, mit den Tatsachen und mit den Personen. Wir haben es mit Tatsachen zu tun, das wäre jetzt etwa im christlichen Bereich die Frage des leeren Grabes. Und wir haben es mit Personen zu tun. Bei dem gleichen Philosophiekongress, aus dem ich dieses Zitat habe über die Wahrheit, da hat Robert Spähmann, Philosophieprofessor in München, diesen Unterschied gemacht und interessanterweise hat er das auch mit dem Neuen Testament belegt. Er hat gesagt, es ist offenkundig, dass es ein Unterschied ist, ob man sagt, am 3. Tage war das Grab leer, oder ob man den Satz von Jesus nimmt, ich bin die Wahrheit. Bei dem 1. wird man sagen, die Wahrheit besteht darin, ob das Grab nun wirklich leer war oder nicht. Und wer damals da war und hingegangen ist, der hätte sagen können, ja es war leer, oder er hätte sagen können, nein es ist nicht leer. Aber man konnte Feststellungen treffen. Oder Historiker heute können auf Grund von Texten, die sie analysieren, also als Historiker zu Ergebnissen kommen, sagen, das spricht dafür, dass die Auferstehung Jesu wirklich stattgefunden hat und das Grab wirklich leer war. Davon aber ist zu unterscheiden die 2. Frage der Wahrheit, die personelle Wahrheit. Und das ist etwas, mit dem wir es auch zu tun haben. Wir sind Personen und wir sind eben beständig darauf angewiesen, festzustellen, ob Zeugen vertrauenswürdig sind, ob sie glaubwürdig sind. Ich hatte das heute morgen schon zitiert, dass ein Physiker gefragt wurde, ob er die Wunder im Neuen Testament für wahr hält. Und da hat er gesagt, da kann ich als Physiker keine Aussagen zu machen. Der Mann kann ja das nicht wiederholen. Und Physiker versuchen ja und leben ja auch davon, dass sie Versuche wiederholen können. Das geht in der Geschichte nicht, und bei Wundern noch viel weniger, sondern die entscheidende Frage ist, sind die Zeugen, die das Wunder überliefern, glaubwürdig. Auch das, was vor Gericht entscheidend ist und für uns selbst. Wir stehen in unserem Leben ständig vor der Frage, ob jemand glaubwürdig ist. Also wenn uns einer etwas erzählt oder wenn wir etwas lesen, überlegen wir uns immer, könnte das stimmen. Vor allen Dingen, wenn von dieser Nachricht für uns etwas abhängt. Meistens hängen von den Nachrichten, die wir hören, für uns nichts ab. Aber es fängt schon an bei so einfachen Vorschlägen, dass uns jemand etwas sagt, wo man etwas billig einkaufen kann. Und wenn wir an der Sache interessiert sind, überlegen wir kurz, ob der glaubwürdig ist, der uns das sagt oder nicht. Und glauben würde dann bedeuten, dass wir hingehen, um das zu kaufen, von dem wir gehört haben, dass es hier oder da billig zu haben ist. Also glauben hat immer auch etwas zu tun damit, dass wir etwas tun. Jemandem etwas glauben und daraufhin bestimmte Schritte gehen oder konsequent sein. Wir haben es also bei der Frage nach der Gewissheit, bei der Frage mit 2 unterschiedlichen Wahrheitsverständnissen zu tun. Der englische Schriftsteller C.S. Lewis hat einmal gesagt, wenn man wissen will, ob die Katze im Wäscheschrank ist, genügt es nicht, sich mit allen Argumenten zu beschäftigen, pro und kontra, sondern man muss auch hingehen, die Tür aufmachen und gucken, ist sie da oder nicht. Ich habe das mal bei einer Tagung gesagt und fand dann tatsächlich eine Katze in meinem Wäscheschrank. Das wird mir heute Abend in Breitscheid wahrscheinlich nicht passieren, weil ich hier nicht übernachte. Er wollte damit sagen, Argumente sind wichtig, pro und kontra, die Tatsachenwahrheit. Aber man muss es versuchen, selber rauszukriegen, d.h. man muss auch sich selber einsetzen, die eigene Person. Wenn man die Verlässlichkeit, die Zuverlässigkeit eines anderen Menschen erfahren will, dann muss man einen Weg mitgehen. Wenn man die Zuverlässigkeit des Wortes Gottes erfahren will, dann muss man da auch einen Weg mitgehen. Es gibt kein Leben aus der Distanz. Zu unserem Leben gehört beides, sozusagen Glaube und Skepsis. Genau wie Wahrheit und Toleranz zusammengehören, das sind keine Gegensätze, sondern die gehören zusammen. Ohne Wahrheit könnte man gar nicht tolerant sein. Und auch Glaube und Skepsis ist etwas, was zu unserem Leben dazugehört. Es kommt in beiden Fällen auf die richtige Mischung an. Ich hatte heute morgen erzählt, wie ich selber Christ geworden bin. Das möchte ich zum Abschluss noch einmal ganz kurz sagen. 1. Die Begegnung mit einem Freund in der Schule, der Christ war und davon sprach, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Das ist etwas, dafür kann ich nichts, kann nur sagen, dass es zu meiner Biografie gehört. Ich bin ihm begegnet. Und er hat mich angesprochen und es war mir bewusst, es gibt nur die Frage, ist es wahr oder ist es nicht wahr. Es gibt gar keine andere Möglichkeit mit der Frage der Auferstehung. Das ist etwas, was in der Geschichte stattgefunden hat. 2. Die Beschäftigung aus der Distanz heraus mit den Texten des Neuen Testaments wie ein Historiker sich mit Texten beschäftigt, ist auch etwas Wichtiges. Ich hatte damals gedacht, wenn ich das tue, werde ich gleich feststellen, es kann gar nicht stimmen. Aber als ich es getan habe, habe ich gemerkt, es könnte stimmen. 3. Es geht um einen persönlichen Weg. Für mich war es damals Johannes 7 Vers 17, wo Jesus sagt, wenn du wissen willst, ob das, was ich sage von Gott ist, dann wirst du es herausfinden, wenn du den Willen Gottes tun willst. Es geht nicht anders als dieser persönliche Weg. Wenn ich an Universitäten, das ist ja da, wo ich meistens Vorträge halte in Deutschland oder auch im Ausland bis hin nach Russland. Wenn ich da Vorträge halte auch über die Auferstehung, dann schließe ich meistens mit 3 Punkten. Dann sage ich: 1. Es ist ganz wichtig für jeden Wissenschaftler, dass er seine Information aus erster Hand hat, First Hand Information. Das heißt, es ist für jeden wichtig, der wissen will, wer war Jesus Christus, dass er das Neue Testament selbst liest, und sich die Frage stellt, ist das glaubwürdig und vertrauenswürdig, was hier steht, und ist er glaubwürdig und vertrauenswürdig. Das ist eigentlich das Wichtigste. Das Das sind die Punkte, mit denen ich meine Vorträge an Universitäten über die Auferstehung etwa oder über Glaube und Skepsis oder andere Themen, beende. Weil bei der Frage der Wahrheit und der Gewissheit gibt es eben diese beiden Bereiche, das mehr Objektive, was man aus der Distanz prüfen kann und das, was mit dazugehört, was mit meinem eigenen Leben zusammenhängt, weil es eben kein Leben aus der Distanz gibt. Und so wie Wahrheit und Toleranz zusammenhängen, ohne Wahrheit keine Toleranz, so sind auch Glaube und Skepsis nötig. Es geht nicht um Glaube oder Skepsis, sondern wir haben beides in uns und wir brauchen auch beides in unserem Leben, weil eben nicht alles wahr ist. Und deshalb möchte ich meinen Beitrag heute Abend damit schließen, dass ich ihnen und auch mir wünsche, dass wir in unserem Leben immer das richtige Verhältnis, die richtige Mischung finden von Glaube und Skepsis. Dankeschön. |
In der heutigen Zeit ist es noch wichtiger, darüber nachzudenken!
Vielen Dank Herrn Dr.Jürgen Spieß, dass sein Vortrag vom 9.Nov.02 hier erscheinen darf.
Er ist Leiter des Instituts für Glaube und Wissenschaft, Marburg
Ist das Neue Testament vertrauenswürdig? / Dr.Jürgen Spieß
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