Gentechnik aus Sicht eines Mediziners
Ja, das ist der Schlusspunkt eines langen Wochenendes für sie, und es ist sicherlich noch einmal eine Herausforderung, Neues aufzunehmen, mitzudenken und auch selber zu beurteilen.Und zu alldem möchte ich sie einladen und herausfordern zu diesem Thema: Manipulation des Lebens, Gentechnik. Wie beurteilen wir es? Es wird ein Spagat zwischen wissenschaftlichen Dingen ihnen nahegebracht und hoffentlich auch gut verständlich und das alles aufnehmen und beurteilen und es ist ein umfangreiches Thema und ich verspreche ihnen aber auch, dass ich mich bemüht habe, zu allen gängigen, wichtigen aktuellen Entwicklungen und Fragen auch kurz Stellung zu nehmen.
Gentechnik, Manipulation des Lebens, um was geht es dabei?
Ich möchte ihnen zunächst einige gesellschafltliche Trends aufzeigen, ganz aktuell, Zeitungsberichte, Schlagzeilen aus diesem Jahr 2004. Wir müssen einen kleinen Ritt durch die Genetik machen, ganz klein und kurz gefasst. Und ich möchte ihnen einfach nahebringen, was ist gentechnisch heute möglich? Wo sind die Chancen? Wo liegen die Risiken? Und ich möchte den Versuch wagen, die Gentechnik zu beurteilen, ethisch, Grenzen aufzuzeigen. Eine Schlagzeile aus diesem Jahr: Stammzellen, alles ist möglich. Wir leben zwar nicht im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, aber so ein bisschen neidisch schielen wir ja doch schon mal rüber.
Alles ist möglich, ein alter Traum der Menschheit.
Die doch sehr anerkannte Zeitschrift Geowissen in diesem Jahr mit dem Titelblatt: Die neuen Wege der Medizin, die moderne Heilkunst und Biotechnik, wie sie unser Leben verändern. Auch in diesem Jahr im Februar diese Schlagzeile: Erste Stammzellen erzeugt aus einem geklonten Embryo. Südkoreanische Forscher haben diesen Fortschritt erzielt, es ist ihnen gelungen. Seitdem habe ich aber auch wenig von ihnen gehört. Auch die Frage hat Professor Haf heute morgen schon einmal gestellt: Warum wird es nach solchen Schlagzeilen plötzlich so ruhig?
Die Schöpfer des geklonten Schafes Dolly,
wahrscheinlich das bekannteste Schaf unserer Erde, sagen: Klonen von Menschen sei derzeit unmöglich. Ein rennomierter deutscher Wissenschaftler, Stammzellenforscher der Universität Köln, sie sehen hier einen Zeitungsausschnitt vom September 2004, beklagt, dass wir durch unsere Rechtslage, dass die Embryonalforschung verboten ist, die Stammzellengewinnung aus Embryonen in Deutschland nicht erlaubt ist, das führe dazu, dass die deutsche Wissenschaft abhängt und zurückfällt. Dahinter steht der Wunsch nach Lockerung der rechtlichen Grenzen, dass es auch in Deutschland erlaubt ist.
Da sind diese beiden Südkoreaner, denen es angeblich als erste gelungen ist, menschliche Embryonen zu erzeugen. Und ein Satz am Anfang dieses Artikels, denke ich, wirft ein gutes Schlaglicht auf das ganze Thema: Die Sehnsucht nach Unsterblichkeit treibt Klonforscher wie Journalisten zu Verzweiflungstaten. Soweit dieser Zeitungsartikel. Die Sehnsucht nach Unsterblichkeit als Motivation hinter der ganzen Klonforschung? Ein Zitat aus Geowissen: Menschliches Leben wird im Zeitalter der Biotechnik verfügbar wie nie zuvor, insbesondere bei seiner Entstehung. Professor Fischer. Menschliches Leben wird verfügbar. Das sind einige Stimmungsbilder aus unserer Gesellschaft aus diesem Jahr 2004. Von „Alles ist möglich“ bis „Klonen noch nicht erfolgreich“.
Alles ist möglich, aber menschliches Leben wird verfügbar, für wen? Das sind Fragen, die ich mit ihnen heute abend durchgehen möchte. Manipulation des Lebens, was ist Gentechnik, was ist möglich? Ich muss ihnen einige Sätze sagen zur Genetik, zur Vererbungslehre, damit sie wissen, um was es hier überhaupt geht, technisch und wissenschaftlich und medizinisch. Sie sehen auf diesem Zeitungsartikel Herrn Crick. Watson und Crick, das waren die beiden Entdecker der DNA, dieser Doppelwendeltreppe als Baustein, als molekulare Grundlage der gesamten Erbinformation. 1953 haben sie diese Struktur biochemisch entdeckt. Sie haben später den Nobelpreis dafür bekommen, und dieses Jahr ist Herr Crick gestorben. Sie haben bahnbrechendes geleistet für die Genetik, für die Entwicklung auch der Gentechnik und Gentechnologie.
Was bedeutet Genetik?
Eigentlich ein faszinierendes Thema. In jeder Körperzelle gibt es einen Zellkern bis auf die roten Blutkörperchen, das sind die Ausnahmen. In jedem dieser Zellkerne befinden sich 46 Chromosomen. Das sind diese Fäden, die zusammengestaucht wie Fäden wie so ein X zum Teil aussehen. Und darin ist zusammenkomprimiert die gesamte Erbinformation von ihnen und von mir niedergelegt und zwar in jeder Körperzelle, identisch in jeder meiner Körperzellen, und dann für sie auch identisch in jeder ihrer Körperzellen. Und wenn man diese Fäden ein bisschen aufdehnt, dann sieht man diese von Watson und Crick erfundene oder nicht erfundene, gefundene Struktur von Professor Haf heute morgen müssten wir hier sagen, die der Schöpfer erfunden hat. Das ist die Struktur, wie die Information niedergelegt ist. Ein geniales Modell. 4 Buchstaben gibt es in diesem Alphabeth, 4 Buchstaben, Stoffgruppen und die Anordnung dieser 4 Buchstaben nacheinander ergibt die gesamte Erbinformation jedes Menschen, aber auch jedes Tieres und auch in den Pflanzenzellen. Die Anordnung dieser Buchstaben codiert die Information, und die Umsetzung dieser Information in Eiweißstoffe, in Proteine ergibt dann das, was sie hier vorne sehen, nämlich mich und wenn sie in den Spiegel schauen, sind sie das Produkt, nicht nur, aber auch, dieser Erbinformation. Und wir wissen, dass es noch viele andere Dinge braucht, die dazukommen müssen, um dann auch eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen. Aber ein phantastisches Modell, 4 Buchstaben ergeben die gesamte Information für das Leben für jeden Menschen, und das individuell, jeder einmal anders und unvergleichlich. Das ist die Grundlage der Vererbungslehre, der Genetik.
Und jetzt die Frage, was ist denn möglich?
Klonen ist sicherlich ein heiß diskutiertes Thema und ich werde dazu einiges sagen und und Stellung nehmen.
Genkartierung: Stellen sie sich vor, all ihre Information kann ihr Chef oder ihre Chefin im Computer, Personalcomputer abrufen. Sie können heute nacht gut schlafen, noch geht das nicht, aber es ist durchaus im Bereich der Möglichkeiten.
Genetische Untersuchungsmöglichkeiten, die vorgeburtliche Untersuchungsmöglichkeiten, etwas, was im Bereich der Geburtshilfe ja ganz wichtig ist, Veränderung dieser genetischen Information der DNA, eine Genteraphie. Nicht mehr die Symptome bekämpfen, sondern die Ursache in den Erbanlagen verändern und damit Krankheiten heilen. Stammzellteraphie. Ich werde zu Genfood nichts sagen, zu genetisch veränderten Nahrungsmitteln, weil ich davon auch nicht viel verstehe, aber einige Beispiele von umsetzbarer Gentechnik: die Herstellung von bestimmten Medikamenten. Möglichkeiten der Gentechnik und der Genteraphie. Damit sie einen kleinen Eindruck bekommen, wie das funktionieren kann.
Wie bekommt man denn eine Information in die Zellkerne hinein, eine genetische Information, also so ein Stück von dieser Wendeltreppe, von dieser Doppelhelixstruktur.
Man nehme ein spezielles Virus, impfe diese Viren mit diesem speziellen Stück Erbinformation und spritze diese Viren einem Menschen. Und diese Viren werden dann in die Zellen aufgenommen oder dringen hinein, und diese Erbinformation kann in unsere Zellenkerne, in unsere eigene Information eingebaut werden. Und das kann durchaus in einem meinetwegen Herzmuskel passieren, aber es kann auch in den Keimzellen, in den Samenzellen oder Eizellen passieren. Denkbar ist auch die Keimzellen, also Samenzellen oder Eizellen gezielt zu manipulieren und zu verändern, gewünschte Informationen hineinzubringen oder bei belasteter Familiengeschichte mit wiederholt auftretenden Krankheiten. Dieses Stück Information, was zuständig ist für diese Krankheit, herauszuschneiden und dann genetisch veränderte Spermien und Eizellen zur Verschmelzung zu bringen. Durchaus denkbar und für die Zukunft auch vielleicht möglich.
Chromosom 47:
Ich muss schon sagen, das erschreckt mich sehr. Ein Superchromosom, wie wir manchmal Superministerposten schaffen, plötzlich ein Superchromosom dazuzugeben, um vielleicht mehr Intelligenz, mehr Widerstandskraft gegen Krankheiten oder was auch immer in einen Menschen hineinzulegen. Aus der Medizin müssten wir eigentlich aus der leidvollen Erfahrung begriffen haben, dass das wohl nicht geht. Wir kennen so manche Krankheiten, wo eben tatsächlich 47 statt 46 Chromosomen da sind, eines zu viel ist, und das z.Tl. zu sehr schwerwiegenden Krankheiten und Behinderungen führt und zum Teil sogar zur Lebensunfähigkeit.
Aber, und das kennzeichnet das Thema Gentechnik, wie wir es heute morgen von Professor Haf schon gehört haben soch sehr. Manchmal denken wir, es gibt keine Grenzen mehr. Die Gentechnik und Genteraphie kann in verschiedenen Stadien eingreifen.
Sie sehen hier einmal direkt nach der Befruchtung der Eizelle, nach der ersten Zellteilung, ein ganz frühes Stadium beginnenden Lebens noch vor der Einnistung in der Gebärmutter. Hier wäre eine genetische Veränderung durch Impfung mit veränderten Viren durchaus möglich. Oder etwas später, oder wenn man den Feten oder den Embryo erkennen kann, diesen Embryo zu behandeln und die genetische, die Erbinformation zu verändern. Um diese Bereiche geht es in der Gentechnik und auch in der Gentechnologie.
Was ist möglich, was funktioniert heute schon.
Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen und vielleicht wenden sie seit Jahren Gentechnik an, ohne es zu wissen, und ich mache ihnen Mut, machen sie ruhig weiter so.
Es gibt eine ganze Reihe von Medikamenten, die gentechnisch hergestellt werden, z.B. Antikörper, also Abwehrstoffe, Eiweißstoffe des Körpers gegen Krankheitserreger, die manche Menschen nicht bilden können und die eine Abwehrschwäche haben. Und die müssen behandelt werden. Und solche Medikamente können hergestellt werden, indem man in Industrielabors Bakterien dazu benutzt, die eben durch Viren eine veränderte Information haben, nämlich ein Medikament herzustellen.
Die Bluterkranken brauchen einen Blutgerinnungsstoff. Auch diese Stoffe werden inzwischen gentechnisch hergestellt und brauchen nicht mehr in so großen Umfang zumindest wie in den 80 er Jahren aus Blutspenden gewonnen zu werden, woher ja dann auch die Diskussion und die besorgniserregenden Erfahrungen mit Aids dann kamen.
Medikamente zur Auflösung von Blutgerinnsel nach Herzinfarkten, nach einer Trombose. Möglichkeiten durch die Gentechnik.
Insulin: wer von den Zuckerkranken sprizt heute noch Schweineinsulin oder Rinderinsulin? Fast niemand. Es sind alles Medikamente, die durch Bakterien industrieell hergestellt werden. Die Bakterien haben unsere genetische Information zur Herstellung von Insulin bekommen und machen nur noch dieses Eine, Insulinherstellung.
Schwieriger wird es bei dem Thema Stammzellen.
Das Thema Stammzellen ist ja heiß diskutiert und auch etwas verworren. Es gibt unterschiedliche Stammzellen:
Embryonale Stammzellen, die man aus Embryonen gewinnt, ganz früh nach der Befruchtung der Eizelle vor der Einnistung in der Gebärmutter. Und es gibt die erwachsenen Stammzellen, die
adulten Stammzellen,
die man z.B. aus Nabelschnurblut gewinnen kann. Ein Verfahren, was immer mehr um sich greift, was ethisch völlig unproblematisch ist.
Nachdem das Kind geboren ist, wird eine Klemme an die Nabelschnur gesetzt, das Kind wird abgenabelt, und 100 bis 200 ml Blut aus der Plazenta, aus dem Mutterkuchen werden gewonnen, und darin gibt es diese Stammzellen, die man medizinisch nutzen kann. Das sind diese pluripotenten Stammzellen, also Vorläuferzellen, die sich in einige Richtungen weiterentwickeln können, aber eben nicht mehr in alle Richtungen. Z.B. können solche Knochenmarkstammzellen ganz verschiedene Blutkörperchen hervorbringen, und damit Menschen, die im Rahmen einer Chemotheraphie, in einer Tumorbehandlung eigentlich eine Knochenmarktransplantation bräuchten. Die kann man mit diesen Stammzellen behandeln, wenn man genügend passende Stammzellen hat. Ein Verfahren, was sicherlich in der Zukunft sehr wichtig sein wird, und ein Verfahren, was ethisch völlig unproblematisch ist.
Aber wie ist es mit den embryonalen Stammzellen?
Die sind totipotent. Die können alles. Die können Blutzelle werden. Die können Herzmuskelzelle werden. Die können Nervenzelle werden. Die können sich in alle Richtungen entwickeln.
Wie funktioniert das?
Nach der Befruchtung der Eizelle entsteht dieser Komplex aus embryonalen Zellen, aus dem der Embryo sich entwickeln wird. Und wenn man aus diesem Bereich embryonale Zellen gewinnt, herausnimmt und sie wachsen lässt, sie züchtet, dann kann man diese Zellen zur Behandlung von Krankheiten benutzen. Wir wissen leider, dass nach einem Herzinfarkt der Herzmuskel nicht wieder nachwachsen kann. Es entsteht dort eine Narbe, und diese Narbe funktioniert nicht richtig. Nach einem Schlaganfall wird ein Stück Gehirngewebe zugrundegehen, es kann nicht regeneriert werden. Und mit solchen Stammzellen kann man wahrscheinlich, es gibt erste vielversprechende Erfolge dabei, kann man diese Gewebestücke ersetzen und vielleicht trotz Herzinfarkt einen völlig intakten Herzmuskel haben. Eine fantastische Möglichkeit, so z.B. auch Morbus-Parkinson zu behandeln, die Schüttellähmung oder Alzheimer. Das können aber nur die embryonalen Stammzellen, die ganz am Anfang der menschlichen Entwicklung entstehen. Aber wie kommt man dazu.
Wie kann man solche Stammzellen gewinnen.
Vielleicht erschrecken sie sich jetzt über die Wortwahl, aber ich verändere sie bewusst nicht. Man kann sie aus überzähligen Embryonen gewinnen, die z.B. im Rahmen der künstlichen Befruchtung erzeugt werden und wenn mehr erzeugt werden, als man braucht hinterher, dann kann man aus solch einem Embryo oder aus solch einer befruchteten Eizelle solche Zellen gewinnen. In Deutschland ist es durch das Embryonenschutzgesetz verboten, aber in anderen Ländern, auch in unseren Nachbarländern ist es z.Tl. erlaubt. Man könnte auch aus abgetriebenen Embryonen diese Zellen gewinnen. Sicherlich, und da werden sie mir recht geben, ethisch mehr als fragwürdig. Oder, und da wird es jetzt richtig spannend, therapeutisches Klonen,etwas, was die Südkoreaner angeblich geschafft haben. Also scheint dieser Bann gebrochen zu sein. Es scheint möglich zu sein. Es ist verboten, aber in England vor kurzem erlaubt.
Was bedeutet Klonen?
Klonen, das ist dieses Schreckensbild, dass zwei Leute so rumlaufen wie ich oder sie, vielleicht finden wir das auch glücklich, macht uns froh. Aber das ist eigentlich nicht das Problem beim Klonen, dass es noch jemand gibt, der mir gleich ist. Denn auch das wissen wir inzwischen, der ist dann zwar, wenn es gelänge, genetisch mit mir identisch, aber der lebt in einer völlig anderen Welt auf unter völlig anderen Bedingungen, und er wird nie so werden wie ich bin.
Es geht also nicht unbedingt darum, einen identischen Menschen noch einmal hervorzurufen, zu erzeugen. Das Prinzip des Klonens ist, man nimmt aus einer Eizelle, die nur den halben Chromosomensatz hat, nur die halbe Erbinformation hat, nimmt man den Zellkern heraus. Es kommt also nicht zur Befruchtung, denn dann käme ja die zweite Hälfte der Erbinformation hinzu, sondern, man gibt jetzt dieser entkernten Eizelle einen neuen Zellkern aus einer Körperzelle. Und da ist ja die komplette Information, meine Erbinformation drin. Und diese neugewonnene Zelle lasse ich jetzt wachsen und züchte embryonale Stammzellen im Labor um sie zu nutzen als Ersatzteillager für Organe, Professor Haf sprach einmal davon heute morgen, ich finde das sehr treffend, diesen Begriff. oder denkbar wäre, wenn auch bislang beim Menschen nicht gelungen, ein geklontes Baby zu erzeugen, also tatsächlich dann auch einen genetisch völlig identischen Menschen zu erzeugen.
Das spannende, im Moment in der Wissenschaft heiß diskutiert und politisch sehr umstritten, noch verboten, wie lange wissen wir nicht, ist das therapeutische Klonen, das gewinnen von embryonalen Stammzellen zum Forschen und zum Behandeln. Sie alle kennen das legendäre Beispiel vom Klonen, da wo es einmal gelungen ist. tatsächlich ein Lebewesen genetisch identisch zu erzeugen, Dolly, das Schaf.
Ich möchte es ihnen an diesem Beispiel noch einmal deutlich machen, mit diesem schwarzen Schaf, warum auch immer das hier schwarz ist mögen sie selber interpretieren. Man nimmt diesem Schaf eine Körperzelle weg. Damit hat man die Erbinformation dieses schwarzen Schafes. Man nimmt ein zweites Schaf, dem muss man aus dem Eierstock Eizellen entnehmen. Eine solche Eizelle wird entkert, der Zellkern wird herausgenommen und statt des Zellkerns vom weißen Schaf kommt jetzt der Zellkern vom schwarzen Schaf in diese Eizelle. Diese geklonte Zelle wird jetzt der Leihmutter, denn es ist ja eigentlich die Erbinformation des schwarzen Schafes, wird dem weißen Schaf in die Gebärmutter transferiert, und dieses weiße Schaf gebiert, wenn es denn gelingt, ein schwarzes Schaf, genetisch identisch mit diesem schwarzen Schaf, das die Erbinformation gegeben hat. Das ist der Hintergrund beim Klonen.
Beim Menschen gelingt es Gott sei Dank noch nicht. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es auf Dauer nicht gelingt. Klonen im Hinblick auf die Erzeugung eines gleichen Menschen, das gelingt noch nicht. Aus den Tierversuchen wissen wir auch, dass es sehr schwierig sein wird, so etwas umzusetzen, und dass es hohe Missbildungs- und Fehlbildungsraten gibt bei den Tieren, die man versucht hat zu klonen.
Dolly, das geklonte Schaf ist nicht alt geworden. Es ist sehr früh an merkwürdigen Krankheiten erkrankt, für Schafe ungewöhnlich und es ist sehr früh gestorben. Das macht deutlich, dass wir auch in dem Bereich noch nicht sehr weit sind mit der Wissenschaft, dass es noch viele Schwierigkeiten gibt. Aber der Weg geht eindeutig in diese Richtung, vor allem zum therapeutischen Klonen, um diese Ersatzteile für Herzmuskelgewebe, was zugrunde gegangen ist oder für Gehirngewebe zu bekommen.
Ich möchte ihnen ein Zitat von Frau Professor Kollek vorlesen, die einmal vergleicht, was ist denn zwischen dem ersten Retortenbaby 1982 Lisa Brown in Großbritannien anders als heute bei den Klonversuchen. Das erste Retortenbaby haben wir keineswegs verändert, sagt sie, sondern wir haben ihm lediglich auf die Welt geholfen.
Das Klonen hingegen zielt auf eine Selbstschöpfung des Menschen. Die künstliche Befruchtung, was hinter Retortenbaby steht, ist heute weitgehend gesellschaftlich akzeptiert, ist auch für mich als Christ und Arzt akzeptabel, wenn ethische Grenzen bewusst auch angenommen und eingehalten werden. Aber beim Klonen geht es noch einmal mehrere Schritte weiter.
Hier geht es darum, Menschen neu zu schaffen.
Die Verlockung und das Problem entsteht dadurch, und wir haben das heute morgen gehört, es gibt einen ungeheuren Druck in der Öffentlichkeit. Wenn man doch so schlimme Krankheiten wie Alzheimer, wie Parkinson, wie Multiple-Sklerose, chronische Krankheiten wie Zuckerkrankheit, Krankheiten mit bleibenden Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, wenn man die doch behandeln könnte mit embryonalen Stammzellen, warum tun wir es denn nicht? Können wir unseren Patienten und den Menschen in unserem Land solche genialen Möglichkeiten vorenthalten? Der Druck der Öffentlichkeit nimmt zu, machbares auch zu tun.
Und wenn sie einmal darauf achten, was in den Medien passiert und vielleicht auch bei uns selber passiert, wir denken plötzlich anders. Wir erfinden neue Worte. Wir deuten Dinge um, damit die Schwelle vielleicht niedriger wird. So Worte wie Embryo-Banking, hört sich doch ganz harmlos an, Embryonen-Park tiefgekühlt und später forschen oder züchten, Stammzellen züchten.
Ein Zitat von Jens Reich, Mitglied im Ethik-Rat unseres Landes, was mich erschrocken hat, er rät: bei diesen Stadien, beim therapeutischen Klonen, nicht vom Embryo zu sprechen, sondern von künstlich hergestellten Zellverbänden. und schon ist die Schwelle ganz niedrig, ist auch durchzuführen und ist umzusetzen.
Ein paar Worte zur vorgeburtlichen Diagnostik:
Sie alle kennen das wahrscheinlich, dass man im ersten Drittel der Schwangerschaft Flüssigkeit aus der Gebärmutter gewinnen kann. In dieser Flüssigkeit, im Fruchtwasser sind kindliche Zellen, und die kann man genetisch untersuchen und kann feststellen, ob dieses Kind von den Erbinformationen gesund sein wird oder nicht. Das ist sicherlich eine große Errungenschaft. Über die Grenzen sprechen wir gleich noch einmal. Neu ist jetzt das, was Professor Haf auch ansprach, die
Präimplantationsdiagnostik.
Es tut mir leid, es sind komplizierte Worte, aber es bedeutet, im Rahmen von künstlicher Befruchtung: Bevor die Frau das befruchtete Ei eingepflanzt bekommt. Eine dieser entstandenen Zellen wegzunehmen und zu untersuchen, ob die Erbinformation in Ordnung ist, ob eine bestimmte Krankheit codiert ist oder eben nicht. Die vorgeburtliche Diagnostik hat ihren Sinn, weil wir wissen z.B., dass Schwangere mit höherem Lebensalter einfach auch höhere Risiken für genetische Erkrankungen mitbringen. Oder wenn bei der Ultraschalluntersuchung etwas auffälliges entdeckt wird, kann es sehr viel Sinn machen, auch eine genetische Untersuchung zu veranlassen. In Deutschland müssen wir Gynäkologen allen Schwangeren ab 35 Jahren die Möglichkeit einer vorgeburtlichen Untersuchung nennen. Wenn wir es nicht tun, haben wir etwas unterlassen und können verklagt werden. Daraus merkt man eine gewisse Angst. Und so werden sicherlich auch mehr Empfehlungen ausgesprochen zu einer solchen Fruchtwasserpunktion, als wirklich sinnvoll sind. Letztlich muss man aber auch klar sagen: Eine solche Untersuchung kann niemandem vorgeschrieben werden und bedarf natürlich immer der ganz persönlichen Entscheidung.
Denn wichig ist bei der vorgeburtlichen Diagnostik die Konsequenz.
Wohin führt das denn. Wenn es dazu führt, dass ich eine Krankheit des noch nicht geborenen Kindes erkennen kann, und sie vor der Geburt behandeln kann, dann ist es eine wahnsinnig tolle Geschichte. Ich kann diesem Kind das Leben retten. Man kann Kindern vor der Geburt eine Blutübertragung geben, wenn die so blutarm sind, dass sie sterben würden. Und es gibt Entzündungen in der Schwangerschaft, Ringelröteln z.B., die solche Risiken mit sich bringen können. Also eine tolle Möglichkeit, diesem Kind das Leben zu retten. Wer sagt denn, dass der Nachweis einer genetischen Erkrankung vor der Geburt auch dann gleich das Ende der Schwangerschaft bedeutet. In vielen Situationen kann man auch sehr Mut machen, und dann entscheiden sich viele Paare dann auch zur Fortsetzung der Schwangerschaft, trotz nachgewiesener Krankheit.
Aber, und das ist sicherlich auch gesellschaftlich ein großes Problem. In vielen Fällen führt eine genetische Erkrankung, die im Rahmen der vorgeburtlichen Untersuchung festgestellt wird, eben zum Schwangerschaftsabbruch.
Zur Präimplantationsdiagnostik also:
eine künstliche Befruchtung wird durchgeführt. Es gibt 8 Zellen, aus denen ein Embryo werden soll, und man nimmt eine Zelle weg und untersucht diese und schaut, wird dieses Kind gesund sein, von der Erbinformation. Wenn ja, bekommt die Frau diesen Embryo in die Gebärmutter, wenn nein, dann eben nicht.
Da wird es schon sehr viel problematischer. Hier gibt es tatsächlich zum ersten Mal das, was viele sich schon erhofft hatten, nicht nur das Geschlecht sich auszusuchen, denn das ist natürlich auch möglich und man kann sich das ausdenken, dass, wenn es das falsche Geschlecht ist, das man sich nicht gewünscht hat, dass man sagt, dann eben nein, dass man ein Designbaby erzeugt. Und wenn dann die Gentechnik noch weiter kommt in ihren Fortschritten, vielleicht auch mit zusätzlichen wünschenswerten Eigenschaften. Es wäre so etwas wie Zeugung auf Probe, und wir haben heute morgen gehört, dass erschreckend viele in unserem Land dem zustimmen würden und das wünschen würden. Aber es ist in Deutschland nicht erlaubt.
Und auch das nehme ich so wahr, dass wir in unseren Diskussionen, gerade auch bei ethischen Fragestellungen oft sehr schizophren denken in unserem Land. Wir diskutieren sehr heiß über die Präimplantationsdiagnostik und die betrifft vielleicht 500 Paare im Jahr, das ist jetzt eine Schätzung von mir. Natürlich ist eine Diagnostik, Präimplantationsdiagnostik vor Einpflanzen des Embryos in die Gebärmutter mit der Möglichkeit, das Leben zu vernichten, ethisch genauso zu beurteilen und zu sehen wie eine Abtreibung. Aber wir reden in unserem Land eben nicht mehr über 150000 bis 300000 Abtreibungen jährlich und regen uns über Präimplantationsdiagnostik auf, wo vielleicht 100 Ebryonen zur Disposition stehen. Diese 100 sind schlimm genug, und das Schicksal, was dahinter steckt. Aber ich denke, wir dürfen es nicht auseinanderziehen.
Vielleicht haben sie das kürzlich gelesen, in Berlin gab es die 1000 Kreuze Demonstration als Symbol für diese mehreren Hunderttausend Abtreibungen jährlich. Tausend Kreuze sollten getragen und aufgestellt werden. Es gab nur 800 Menschen, die bereit waren nach Berlin zu fahren. Ich war auch nicht da. Ich möchte sie einladen, aufzustehen und ihre Position zu vertreten, gerade in diesen ethischen Fragen. Natürlich kommt auch bei uns Deutschen immer wieder unsere belastete Geschichte aus dem Dritten Reich dazu, dass sie uns sehr viel schwerer als unseren Nachbarn tun, solche Entscheidungen auch zu treffen und die Rechte und die Grenzen zu lockern.
Ich möchte jetzt noch den Versuch starten, wirklich diese gentechnischen Möglichkeiten nach ethischen Gesichtspunkten zu beurteilen und zu bewerten. Und die Fragen, die sich mir dabei stellen, sind natürlich:
Wie gehen wir mit Informationen um,
mit sehr intimen, sehr persönlichen Informationen? Was wäre, wenn das per Chipkarte abgelegt werden könnte? Der gläserne Mensch wird plötzlich denkbar. Was ist wenn bei diesen Gentherapien nicht nur Körperzellen behandelt werden, sondern dass dann auch auf die Eizellen und die Samenzellen übergeht und damit die Veränderung vererbt wird. Wenn manipulierte Menschen erschaffen werden.
Wie ist es mit dem Klonen, mit der Stammzellengewinnung?
Auch so Fragen wie Tierschutz denke ich dürfen wir nicht vergessen und auch das vergessen wir manches Mal, wofür wird das Ganze vielleicht noch genutzt? Welche kommerziellen Interessen gibt es? Welche wirtschaftlichen oder militärischen Interessen mögen vielleicht dahinterstecken, solche Dinge auch umzusetzen?
Es gibt eine Eigendynamik nicht in der Gentechnologie alleine sondern in der Wissenschaft. Hans Krevel hat das so formuliert, dass es eine Kaskade, eine Karriere ist. Am Anfang steht die Neugier, ohne Neugier gäb´s keine Wissenschaft. Wie funktioniert etwas? Was ist möglich? Aus dieser Frage, wie funktioniert etwas, kommt dann auch die Macht ins Spiel. Kann ich das auch? Wäre mir das möglich? Und wo kann ich eingreifen? Plötzlich kommt aus der Neugier die Möglichkeit zur Manipulation und zur Umgestaltung. Was kann ich erreichen?
Das macht mir deutlich, dass es diese Spannung in der Wissenschaft immer gibt und die muss es auch geben zwischen dem Möglichen, was denkbar ist, und dem, was verantwortbar ist. Ohne diese Neugier wird nie etwas Neues entstehen, werden wir viele Dinge nicht in den Griff bekommen.
Aber ohne die Grenze werden wir viele Dinge eben auch nicht mehr im Griff haben, die wir tun.
Einige Entscheidungshilfen
für sie und für mich möchte ich anbieten. In der ethischen Beurteilung auch der Gentechnik. Ich glaube, das kann sehr helfen, wenn wir bei allem fragen in der Wissenschaft und insbesondere auch in der Gentechnik.
Geht diese Entwicklung auf Kosten von Leben
insbesondere in diesem Bereich auf Kosten von Embryonen? Dieses Wort „überzählige, überschüssige“ Embryonen, das mögen wir vielleicht in der Industrie ethisch vertreten können, dass Dingen im Überschuss da sind. Aber ein Embryo überschüssig, verfügbar? Eine zweite wichtige Frage:
Geht die Gentechnik an der Stelle mit dem Eingriff in die Keimbahn,
d.h. es wird vererbt. Es geht in die nächste Generation und kann nie wieder zurückgenommen werden. Sind die Risiken abschätzbar? Ich habe von gentechisch manipulierten Nahrungsmitteln keine Ahnung, wahrscheinlich weniger als sie oder genausoviel. Aber ich finde das schon bestürzend, dass wir in Deutschland nicht mehr hingekriegt haben, als eine Deklarationspflicht, dass auf dem Gemüse jetzt stehen muss: gentechisch verändert. Auf welcher Fleischtheke steht das denn, was das Tier gefressen hat? Wer weiß denn, in zehn oder fünfzig Jahren, welche Folgen diese gentechnisch veränderten Nahrungsmittel haben können. Vielleicht keine schlimmen Folgen, aber kein Mensch hat Untersuchungen durchgeführt. Und auch das finde ich wichtig, wir sollten fragen;
Was für Interessen gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art stehen dahinter?
Für mich ist ein Eingriff in die Keimbahn völlig undenkbar und kann für mich auch nicht zur Diskussion stehen. Eine Veränderung der Erbinformation, die ich an meine Kinder und Enkelkinder usw. weitergebe, ist für mich ein klares Überschreiten der Grenzen, was gentechnisch erlaubt oder möglich ist.
Es darf für mich auch keine Embryonen verbrauchende Forschung geben, auch hier wieder ein völlig technisiertes Wort, ein Menschen verbrauchendes Forschen, ein Embryo ist ein Mensch. Es darf nicht geforscht werden mit dem Resultat, mit einem Resultat, dass man am Ende diesen Embryo wegwirft.
Und ich würde auch sagen, ein klares Nein zum Klonen, sei es zum Erzeugen eines genetisch gleichen Menschen oder zum therapeutischen Klonen. Da ist für mich eine Grenze überschritten, wo dann auch Dämme brechen.
Genetische Überwachung.
Ich glaube, darüber brauchen wir auch nicht zu diskutieren. Ich möchte kein genetisch gläserner Mensch sein. Möglicherweise hätte dann jeder jetzt von ihnen mich durchchecken können, was ich genetisch mit in diesen Saal gebracht habe. Stellen sie sich das vor, vor allem, wenn es dann auch sie betrifft.
Kein Töten von Menschen, die von der Norm abweichen. Das ist ja eine ganz wichtige Frage. Wer beschreibt denn die Norm, was akzeptiert wird und was eben nicht akzeptiert wird. Was ist mit lebensunwertem Leben? Wer darf überhaupt sagen, dieser Mensch hat es verdient zu leben, und dieser Mensch hat es nicht verdient zu leben, das ist lebensunwert? Wer darf das sagen? Ich denke kein Mensch.
In unserer Rechtsprechung wird das sehr schwierig. Auf der einen Seite steht im Embryonenschutzgesetz von 1991, dass ein
Embryo so definiert wird:
eine menschliche Eizelle wird von einer Samenzelle befruchtet und in dem Moment der Kernzellverschmelzung ist es ein Embryo, toll. Ethisch hochstehend, richtig. Es ist ein Embryo.
Aber unsere Bundesjustizministerin Frau Zypries sagt, man solle einem Embryo vor seiner Einnistung in die Gebärmutter kein grundgesetzlich gesichertes Recht auf Menschenwürde zusprechen. Was nützt es denn, wenn ich sage, jawohl, es ist ein Embryo, aber er ist nicht schützenswert, erst nach der Einnistung.
Diese Definition ist für mich nicht nur problematisch, sondern abzulehnen. Wir haben das heute morgen gehört, es gibt verschiedene
Definitionen, wann Leben beginnt.
Von der Befruchtung an, von der Einnistung, wenn ein Embryo schmerzen empfinden kann, wenn ein Embryo lebensfähig ist, oder wenn er geboren ist.
Professor Erich Blechschmidt, inzwischen verstorben, Anatom der Universität in Göttingen hat in seinem Lebenswerk an Embryonen geforscht. Und er hat festgestellt, und das ist wissenschaftlich bewiesen und kann als Tatsache vertreten werden:
Der Mensch ist Mensch von Anfang an.
Wir machen keine Entwicklung durch, Fische und ich weiß nicht was, nein, wir sind Menschen, von der Befruchtung der Eizelle an. Natürlich braucht es viel Zeit und auch viel Entwicklung und Wachstum. Aber genetisch, informationstechnisch passiert überhaupt nichts mehr danach. Alle Informationen liegen in dieser einen Zelle, in der befruchteten Eizelle drin. Und die Schlussfolgerung daraus kann für mich nur sein, dass ein Mensch schützenswert ist und Menschenwürde haben muss von diesem Anfang an.
Und deswegen kann ich der Justizministerin da nur widersprechen und sagen: von Anfang an besteht Menschenwürde und ein Recht auf Menschenwürde. Ein letzter Punkt:
Was steckt eigentlich dahinter, hinter der Gentechnik? Worum geht es eigentlich?
Ich möchte hier eine Einordnung versuchen in unsere gesamtgesellschaftliche Entwicklung und auch in die Weltanschauung und in unsere Menschenwelt. Ulrich Eibach hat ein sehr lesenswertes Buch zum Thema Gentechnik und Embryonenforschung geschrieben. Und ein Untertitel auf diesem Buch ist:
Leben als Schöpfung aus Menschenhand.
Steckt nicht genau das dahinter? Auch bei den säkularsten Wissenschaftlern und Ärzten, dass wir autonom sein wollen, dass wir unabhängig sein wollen, dass wir Gott spielen wollen, dass wir selber schaffen und erschaffen wollen. Leben als Schöpfung in meiner Hand. Geht es um die Erschaffung eines schönen neuen Menschen?
Die meisten von ihnen werden wahrscheinlich das Buch von Huxley kenn, schöne neue Welt. Ich lese ihnen einige Zeilen aus dem Vorwort dieses Buches. 1939 geschrieben von Aldous Huxley – Schöne Neue Welt : Das ist die Vision einer endgültig technisierten und kollektivierten Welt, in der die Versklavung der Massen und deren durch Drogen garantiertes und genormtes Glück Hand in Hand gehen. Jetzt sind Hunger, Arbeitslosigkeit und Elend überwunden. Menschen werden nicht mehr geboren, sondern in Reagenzgläsern und Flaschen gezüchtet. Krankheiten sind abgeschafft und die Menschen bewahren ihre Jugendlichkeit bis zum Lebensende.
Die globale Bequemlichkeit hat die Menschheit jedoch mit dem Verzicht auf Freiheit und Menschlichkeit und Entfaltung der Künste bezahlt. Liebe und Individualität sind auf der Strecke geblieben. Schöne neue Welt. Lesen sie ruhig mal das Buch und sie werden überrascht, vielleicht auch erschreckt sein an manchen Stellen, was ein Mensch 1939 schon denken und schreiben konnte. Und ich glaube, wir stehen ganz nah davor. Manches von dem, was Huxley hier beschreibt, in die Tat umzusetzen. Was steckt dahinter? Ich glaube, und das war in dem einen Zitat sehr deutlich formuliert:
Eine Sehnsucht nach Unsterblichkeit und Perfektion.
Schlagworte unserer Gesellschaft: Forever Young. Warum nicht? Warum denn? Ein ganz neues Feld der Medizin entsteht, Antiaging. Die Kassen sind leer und eine ganz neue Sparte entsteht und viele Menschen geben viel Geld dafür aus. Antiaging bedeutet: Was kann ich tun, um nicht alt zu werden? Wer will schon alt werden? Weise vielleicht, aber doch nicht alt. Und die Gentechnik ist eigentlich nur ein Baustein darin, einen perfekt gestylten Menschen zu kreieren, zu erschaffen.
Klar gibt es Verlierer in diesem Spiel. Was ist mit dem, der den Normen nicht entspricht, der von diesem Ideal abweicht? Das ist sehr problematisch. Und ich glaube, es gibt einen immer größer werdenden Druck in unserer Gesellschaft, auf unsere persönlichen Bereiche und nicht nur auf unsere Arbeitskraft, aber auch darauf, immer besser, immer leistungsfähiger, immer weniger krank zu werden, immer länger zu leben.
Die Lebenserwartung eines heute geborenen Kindes beträgt 95 Jahre. Das ist ein Sprung nach vorne. Und es geht genau in diese Richtung, möglichst bleiben, möglichst leben, ewig leben. Francis Schaeffer hat einmal dieses Buch geschrieben über ein ganz anderes Thema, aber für mich ist die Frage sehr treffend: Wie können wir denn leben? Und eigentlich steckt für mich hinter auch der Gentechnik, hinter all dem Forschen auch das:
Wie können wir denn ewig leben.
Und das ist die eigentliche Frage, auch wenn sie nicht formuliert wird. Wir versuchen alle möglichen Tricks, um lange zu leben, um lange Erfolg zu haben, um nicht alt, um nicht krank zu werden und möglichst auch nicht zu sterben. Und ich glaube, wenn wir eine Umfrage starten würden: Wieviele Menschen würden, und da können wir uns jetzt ausdenken, was wir wollen, enorme Dinge in Kauf nehmen, um ewig zu leben, um immer hier zu sein. Ich glaube, viele Menschen in unserem Land würden große Opfer bringen.
Die Frage ist wirklich das, was Professor Haf heute morgen fragte:
Ist das alles?
Sind meine siebzig, achtzig, neunzig Jahre oder fünfzig Jahre wirklich alles? Wenn ja, dann bin ich auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, diese Jahre vollzupacken. Ich denke, wir können das gut verstehen. Wenn das alles ist, dann muss es optimal sein und koste es, was es wolle. Und dann werden auch ethische Grenzen überschritten.
Was mir an manchen Stellen hilft als Arzt, wenn ich mit Menschen konfrontiert bin, denen ich nicht mehr helfen kann. Und ich kann ihnen sagen, das ist das Schlimmste, was sie einem Arzt antun können, konfrontieren sie ihn mit einem Menschen, dem sie nicht helfen können. Aber das gibt es. Wenn der Tod unausweichlich scheint.
Wenn es keine Operation mehr gibt,
die man durchführen kann. Wenn es kein Medikament mehr gibt, was helfen wird.
Was sag ich denn dann?
Was sagen sie denn dann? Und da hat mir ein Satz geholfen aus einem alten Gebet in den Psalmen von Mose, was deutlich macht: Klug sind die Menschen, die wissen, dass ihr Leben ein Ende hat. Mose betet den Psalm 90: Lass mich oder lass uns erkennen, dass unser Leben ein Ende hat. Lass uns unsere Tage zählen, nicht lebensmüde, sondern lass uns dran denken. Wir werden nicht immer hier sein. Damit wir weise werden.
Und das ist für mich eine Antwort auf manche Herausforderungen in meinem Beruf, aber auch eine Antwort auf die ethischen drängenden Fragen der Gentechnik, Weisheit ist zu akzeptieren, dass wir nicht alles im Griff haben und auch niemals hoffentlich und da bin ich ganz sicher: Wir werden niemals alles im Griff haben.
Ich muss nicht alles, was möglich ist, in meine Lebenszeit hineinquetschen. Unser Leben ist schön und schwer, und reich und bedrängend. Es fordert uns heraus und manchmal entmutigt es uns. Und ich sag das als jemand, der durchaus sagen kann: Ich freu mich über mein Leben, aber ich freu mich sehr darüber, dass mein Leben hier nicht alles ist. Und dass ich deswegen auch nicht alles machen muss, was machbar ist, dass ich Grenzen akzeptieren kann, auch wenn die wissenschaftliche Neugier vielleicht wirklich sehr verlockt.
Es gibt Hoffnung über dieses Leben hinaus.
Und wir sind ja hier auf einer Glaubenskonferenz, auch wenn es viel um Wissenschaft geht. Und ich bewundere ihr Durchhaltevermögen, so ein Thema nach so einem Wochenende. Aber das wünsche ich ihnen, dass sie das mitnehmen und dass ich das mitnehme, dass dieses Thema uns herausfordert, an diesen Gott zu glauben, der mir eine Hoffnung über mein Leben hinaus gibt, und der mir diesen Stress erspart, alles in mein Leben hineinpacken zu müssen, was nur möglich ist, auch wenn ich gern vieles hineinpacke. Dieser Satz von Jesus begeistert mich, der sagt:
Ich bin gekommen, um euch das Leben zu geben und zwar im Überfluss. Und damit möchte ich schließen. Ich muss es akzeptieren als Arzt und sie müssen es akzeptieren ob als Patient oder in welchem Beruf und wie auch immer in welcher Situation sie sind. Zu unserem Menschsein gehört die Begrenzung unausweichlich dazu. Und zu unserem Menschsein gehört auch Krankheit und Tod unausweichlich dazu. Und ich glaube, wir tun gut daran, bei aller Herausforderung durch neue Entwicklungen und bei allen Bedrängnissen vielleicht auch von ethischen Anfragen das zu akzeptieren, diese Grenzen.
Ich lade sie ein, nutzen sie die Chancen der Gentechnik, spritzen sie weiter das tolle Insulin und gehen sie nicht auf Schweineinsulin zurück. Nutzen sie den Segen von Gentechnik. Eine ganze Menge Gutes ist dabei passiert und ich bin überzeugt davon, eine ganze Menge Gutes wird da noch kommen. Wir nutzen die Möglichkeiten der vorgeburtlichen Untersuchungen. Tumorbehandlung in der Zukunft wird in großem Maß gentechnische Hilfe brauchen. Und wir werden sie gerne nutzen, wenn die ethischen Grenzen beachtet werden.
Seien wir doch ruhig auch gelassen und offen für neue Entwicklungen und stellen wir uns dazu, engagiert, informiert und lernen wir dazu. Und machen wir uns doch mit anderen zusammen die Erde untertan, aber mit der Grenze, dass die Würde jedes Menschen und wirklich jedes Menschen von Anfang an unantastbar ist.
Vielen Dank
Breitscheid, d. 14.11.04
Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Volker Aßmann,
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2 Gedanken zu „Manipulation des Lebens?“