und das Lärmen Sonntagsabends auf den Straßen ist doch je länger je mehr verstummt." - Wo neues religiöses Leben sich entfaltet, da sucht es, wie in Zeiten nationaler Hochspannung, Ausdruck durch das Lied, dessen Quellen dann mächtig sprudeln. Bald wurde ein Sängerchor gebildet. Die Lieder, die in süßlich- überschwänglicher Weise der Liebe zum Heiland und seiner Verherrlichung Ausdruck gaben, wurden begeistert und marschmäßig auf der Straße gesungen und übten ohne Zweifel eine starke Anziehungskraft auf empfängliche Seelen aus. Von jetzt ab gab es Sonntags zwei verschiedene Gruppen in den Reihen der Jugend auf dem Hüttenweg: hie solche, die "Fratzlieder", und dort andere, die "Gottes-" und "Jesuslieder" sangen. "Drum von Herzen lieb ich den Heiland sehr" - klingt es mir heute noch in den Ohren.
Einige junge Leute aus Erdbach schlossen sich der hiesigen Versammlung an, darunter Heinrich Enners und Heinrich Müller. Enners leitete den Gesangverein von 1894 bis heute, und Heinrich Müller, "Stohlches Heinrich", wurde die Hauptstütze der freien Gemeinde und später zum Ältesten derselben gewählt. Beide Freunde heirateten 1896 und 1897 hierher ins alte Altescholtesehaus. Bei Heinrich Müller nahmen die auswärtigen Prediger Herberge. Mit Heinrich Müller kam auch in demselben Jahre Pfarrer Philippi nach Breitscheid. Beide waren markante Persönlichkeiten, aufrechte Männer, aber grundverschieden in ihren Glaubensauffassungen. Philippi war daran gelegen, mit den "Frommen" als Gliedern seiner Gemeinde gut auszukommen. Sie waren auch gute Kirchengänger unter ihm. Um sich ein Urteil zu bilden, auch seinen guten Willen zu zeigen, besuchte er dreimal die Versammlung der Brüder in Martins Haus, trotz Abratens des Pfarrerfreunds A.K. (geb. 1861; gest. 1937 im Hirsekorn "Hampitters Gottlieb" genannt). Aber er fand doch, daß sie nicht zusammen passten und blieb wieder weg. Die andere Seite war auch lieber unter sich.
- Von der Zeit um 1900 schreibt Hild in seinem Bericht zur 25-Jahrfeier des Vereinshauses: "Um diese Zeit hat die Jugend dann das Alter (an Zahl) überwogen. Es war eine große Jugend, die dem Volk Gottes angehörte". Damals kam Prediger Klein in unsere Gegend. Er hielt auf dem Gemeindehause Versammlungen, die noch einen allgemeinen- kirchlichen Charakter hatten. Man schob aber Klein damals schon die Absicht unter, auf eine Loslösung der Versammlung von der Kirche hinzuarbeiten. Äußerlich blieb die Einheit vorläufig noch gewahrt. So fand einmal unter Philippis Leitung eine gemeinsame Versammlung am Wald bei der Grube statt. Aber welche Gegensätze barg das Triumvirat der Prediger in sich: Philippi, der pietistisch eingestellte Pfarrer Steubing - Haiger (Philippi nannte ihn im vertrauten Kreise St. Eubing".) und der Prediger Klein! Die kritische Einstellung seitens der Gemeinschaftsleute zu Philippi bestand aber von Anfang an, nicht allein zu ihm als liberalem (in Bekenntnisfragen frei denkenden) Pfarrer, sondern auch als Pfarrer überhaupt. "Viele Augen waren", um mit Philippis Worten zu reden, schon seit langem nicht zutraulich gradeaus auf den Pfarrer gerichtet, sondern seitlings lauernd, ob sie nicht einen Flecken oder Riß an dem Mann mit dem schwarzen Rock wahrnähmen".
seite-191a - seite-192a
von Kornelia Pelz übersetzt
|