hörte ich die hellen Stimmen der Gusternhainer Mädchen singen. - Die Eingezogenen blieben noch eine Zeitlang in Wetzlar, und die Kriegerfrauen hatten die Freude, ihre Männer noch einige Male dort besuchen zu können. Die Mehrzahl der Breitscheider Krieger wurde der 12. Kompanie des Reservisten Infanterie Regiments 81 zugeteilt. Sie wurden mit der Bahn über Frankfurt, Bingen, das Nahetal hinaufgebracht und marschierten dann durch Luxemburg nach Frankreich hinein. Sie machten die Marneschlacht mit und den Rückzug. Dann gruben sie sich ein bei Cernay en Sormois und Ville sur Tourbe (zwischen den Argonnen und der Champagne, nördlich von St. Menehould). In der Marneschlacht war bei Heiltz der Pionier Emil Kolb gefallen. (F) Im Stellungskrieg bei Cernay wurde Otto Hisge im Schützengraben durch Granatschuß der Unterschenkel zerschossen. Der vorzügliche Entfernungsschätzer Unteroffizier Karl Bechtum (Bäcker, kriegsgetraut mit "Dapperts Lenchen und der treue Unteroffizier Louis Diehl, allzeit gern bereit zu Patrouillengängen, mußten dort ihr Leben fürs Vaterland lassen. Beiden wurden ehrende, anerkennende Zeugnisse von ihren Vorgesetzten ausgestellt.
(F) Der erste Gefallene in unserem Dorf! Wie eine Bombe schlug die Nachricht ein, und wir hatten tiefes Mitgefühl mit der Mutter.
Kehren wir zur Heimat zurück, Was das Frühjahr 1813 für Preußen war, das ist für ganz Deutschland die zweite Hälfte des Jahres 1914 geworden: ein Höhepunkt im nationalen Leben ohnegleichen! Welche ungeahnten Kräfte werden entfaltet in einem Volke, wenn man es einkreist und dann von allen Seiten überfällt! Wir wurden über uns selbst hinaus gehoben. Wer mochte da an sein kleines "Ich" denken, wenn ihn solch hochgehende Wogen umspülten! In den Städten drängten sich die Freiwilligen zu den Aushebungsstellen. Der Bauer meldet sich nicht freiwillig. Eine Theodor-Körner-Seele ist er nicht, das ist nicht vorauszusetzen bei ihm. Aber wenn er gerufen wird, ist er da, und das Vaterland kann sich auf seine Fäuste verlassen. - Während sich das große Gehorchen des deutschen Volkes vollzog, vergaß man auch die Werke der Liebe nicht. Im Anfang wurden alle 8 Tage Lebensmittel gesammelt für die Lazarette und die durchziehenden Truppen. Da wurde gern beigesteuert, auch Geld. Eine Frau in Breitscheid brachte 50 M auf einmal. Im Pfarrhause strickten die jungen Mädchen für die Soldaten (*) . Die Schulkinder sammelten teilweise das Geld für die Wolle dazu. Mit einem Wort: Ein herrlicher Geist beherrschte alle mit wenigen Ausnahmen.
Die Siege unserer unvergleichlichen Truppen riefen natürlich große Begeisterung in der Heimat hervor. Zum erstenmal läuteten die Glocken nach der großen Schlacht östlich von Metz. Viele Leute liefen auf die Straße, und Stolz und Freude malten sich in ihren Gesichtern. Freilich ists keine ungemischte Freude, und ein empfindsames Gemüt gedenkt mit Wehmut der Toten und Verwundeten, die in ihrem Blute liegen, "Wos werds ower aach fir Leu' gekost ho!" rief meine Mutter mir vom Gartenzaun herauf, während unsere 4 Glocken in Kirche und Schule den ersten großen Sieg verkündeten. Und dann kamen wir wochenlang nicht aus dem Siegestaumel heraus. Einmal machten die Schulkinder einen Fackelzug durchs Dorf. "Auf der Brücke" hielt der Lehrer Rinn dann eine kurze Ansprache. Ich dachte: "Wozu? Laßt uns erst mal über den Berg sein!" Ein Mädchen aus dem Vereinshaus sagte im Hinblick auf den Fackelzug: "Unsere Gebete sind es, die uns den Sieg gebracht haben!" (Und was sagt dazu der Ausgang des Krieges?) - Die großen Siege über die Russen erweckten besonders Begeisterung, und Hindenburg war bald
*) Zum Dienst fürs liebe Vaterland .. rührt fleißig sich der Frauen Hand,
Es wird gekocht, genäht, gepflegt, weil Kriegszeit viele Wunden schlägt."
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von Kornelia Pelz übersetzt
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