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Die Ortschronik von Reinhard Kuhlmann - Seite 258

meisten: wozu sparen? Wer immer gut gelebt hat, hat doch etwas von seinem Geld gelebt. Ein Mann im Dorf sagte mir 1924: "Mr wär´doch rechter nochts uffgestanne en hätt Flarsch gesse"! (Der Ausspruch ist in mehr als einer Hinsicht von Reiz.) - Man kleidet sich auch besser, und das ist zu begrüßen; der Schöpfer, der seine anderen Geschöpfe, Blumen, Vögel, Käfer ec so schön kleidet, will sicherlich nicht, dass der Mensch, die Krone der Schöpfung, schmutzig u. zerrissen einhergeht. "Rein und ganz!" war auch schon immer ein Grundsatz unserer Frauen, wenn es auch schlicht bleiben musste. Neu aufgekommen ist in diesem Jhrh. die Berufskleidung hier (Maurer, Verputzer, Anstreicher [dieser Beruf ist überhaupt neu hier, das Anstreichen besorgten früher die Schreiner], Schlosser ec.) und die städt. Mode.

Von 1906 ab, als die Erdbacher Bahn lief, konnten unsere Nähmädchen Nähkurse in den Städten mitnehmen, u. dann beobachtete man nach u. nach die Durchsetzung des Alten mit dem Neuen. Verdienst war ja durch die Fabrik (1900) ins Dorf gekommen, so dass die materielle Grundlage für die neue Mode vorhanden war. Die Arbeiter konnten sich besser kleiden. Die Überzieher kamen auf. Im vorig. Jhrh. hatte nur der Pfarrer, die Lehrer u. der Obersteiger einen sochen.1) Die Auswüchse der Mode kamen erst nach dem Krieg. Die Eltern waren zu schwach, der Putzsucht entgegenzutreten. Welcher Luxus wird allein vom weibl. Geschlecht mit dem Schuhwert getrieben! Schulmädchen, Bauernkinder, tragen Lackschuhe; Jungfrauen tragen farbige Schuhe, rote, gelbe, beige, graue, weiße. Welcher Aufwand mit den Strümpfen! Im Felde können diese feinen, hellen Stoffe doch nicht getragen werden. Einzelne tun es - ein Zerrbild!

Die Sonntagskleidung einer Bevölkerung, deren gesamte Lebenshaltung nur eine einfache sein kann, müsste so beschaffen sein, dass sie werktags auch aufgetragen werden kann und nicht fortgeworfen zu werden braucht. Vom gesundheitlichen Standpunkte aus betrachtet ist die neue Frauen- u. Mädchenmode vorzuziehen. (die Florstrümpfe sind allerdings in kühler Zeit .iehts weniger als gesund.) Luxus treiben die Eltern auch mit ihren Konfirmandinnen. Bei der letzten Konfirmation wurden nur Sammet- oder Seidenkleider getragen. Als 1866 meine Mutter konfirmiert wurde, trugen die Konfirmandinnen - ein "hamannern" Kleid! Wir Älteren haben in Hinsicht der Mode des letzt. Jahrzehnts nur ein einziges großes Staunen, das unserer Ammfrau in 1926 mir gegenüber folg. Ausspruch entlockte: "Wann mir sich froiher su o´gehott härrn, mir härre Schulmastern en Pärrnern kreijt!" -

Auch die schönen neuen Häuser der Nachkriegszeit und ihre innere Ausstattung will schlicht zu der allgemeinen Verarmung stimmen. Überhaupt ist es in fast allen Häusern freundlicher geworden im Laufe dieses Jhrhdts. Die Strohbetten sind verschwunden. Das Sopha findet immer mehr Eingang. (Um 1890 war nur in zwei Bauernhäusern ein solches). Bessere Tapeten, Bilder an den Wänden ec. Wie fein wird heute das Nest Neuvermählter hergerichtet, wenns nur halbwegs geht! Zwei Betten mit Nachttischchen, Kleiderschrank, Vertikons, Waschtisch (womögl. mit Spiegel!) ec. Oft warten die Verlobten längere Zeit (2 Jahre!) mit der Heirat, um es in der Ausstattung anderen gleichtun zu können. Als der Großvater

Anm.

1) Als ich einmal mit dem blinden Thielm. ein Stückch. den Erdb. Weg hinabging, sagte ich zu ihm: "Eben geht Anna an uns vorbei, sie geht zum "Backes", hat einen Mantel an u. trägt ein Wischelchen unterm Arm. Da sagte er, vor 40 Jahren sei nicht ein Mantel unter den Breitscheidern zu finden gewesen. Nur Elberte Hannjust habe einen gehabt, den ihn ein Markscheider geschenkt habe. Diesen hätten sich denn die Breitscheider geliehen, wenn sie etwas vorgehabt (eine Reise) hätten.

gl

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Eine Gesellschaft hat keine Zukunft, wenn sie sich nicht an die Vergangenheit erinnert.
zitiert aus dem "Herborner Tageblatt"

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