1. Mai 1933 Unsere Lehrerin Fräulein Schrib von Frankfurt, seit 21.4. 1932 hier, die einzige Lehrerin, die Breitscheid bis jetzt hatte, wurde zum 1. Mai nach Offenbach (Dillkreis) versetzt. Ihr Weggang war wirklich für die Schule zu bedauern. Allzeit freundlich und heiter, fiel es den Kleinen nicht schwer, Zutrauen zu ihr zu gewinnen, und so war der Boden für eine ersprießliche Berufstätigkeit gegeben. Es war ein liebliches Bild, wenn sie so munter unter dem kleinen Volk dahinschritt, sich bald nach rechts, bald nach links freundlich mit ihm unterhaltend. Hätten Goethes Augen sie geschaut, er hätte sie wie die Lotte in Wetzlar dichterisch verherrlicht. (*)
16. Juni. Volkszählung. Breitscheid hat 1136 Einwohner, 18(6?) Häuser, 235 Familien.
17. Juni. Die Schönbacher weihen ihren neu angelegten Badeweiher ein.
2. Juli. Hissung der Kirchenfahne aus Anlaß der Gründung der deutschen evangelischen Reichskirche. Vom Pfarrhaus wehte die Hakenkreuzfahne.
Ab 12. Juli Verkraftung der Post; kleinere, dem Gebirge mehr angepaßte Wagen als die von 1930 (Siehe S. 259!). Die Einrichtung kann darum eher von Bestand sein wie damals.
Am Samstag, dem 15. Juli, abends Sammlung der S.A. zu einer Nachtübung. 3000 Mann. Dabei Haussuchung bei einem Kommunisten in Breitscheid. Erst am anderen Morgen kehrten die zurück. (Die S.A. hat viele Beitritte zu verzeichnen. Immer mehr erscheint das Braunhemd auf der Straße. Auch bei den Schuljungen, dem "Jungvolk". Was taten wir früher auch lieber, als Soldaten spielen! Aber mancher Familienvater ist nicht in der Lage, die Hitleruniform seinem Jungen anzuschaffen, und so ist das äußere Bild der Jungschar noch kein einheitliches. Ein Junge bietet mir Himbeeren an. Der Erlös dafür hilft ihm mit zu einer "Hitlermandur".)
Die Frauen und Mädchen tragen wieder längere Röcke.
- Im Gegensatz zur Vorkriegszeit ist die Kleidung der Burschen seit Jahren mehr dem Wechsel der Mode unterworfen. Sie tragen jetzt helle, weite Hosen, schwarzen Rock, Mütze, "Pullover". Alle paar Monate neue Formen der Kragen.
23. Juli. Sonntagsschulfeier der Freien Gemeinde auf dem Zimmerplatz bei der Mühle. Leitung: Prediger Schürenberg. Es wechseln Ansprachen mit Gedichten der Kinder und den Kinderchören der einzelnen Dörfer. Beteiligt waren die Orte Gusternhain, Medenbach, Rehe, Mademühlen, Liebenscheid und Erdbach. Zum Schlusse gings unter Vorantritt des Posaunenchors zum Vereinshaus in einem langen, bunten Zuge der Kinder. Die Ersten sind am Schulweg als die letzten am Denkmal vorbeiziehen. (im vorigen Jahr hielten die Sonntagsschulen der Kirche (Breitscheid, Rabenscheid und Medenbach) ein schönes Sommerfest auf der Sang.)
28. Juli. Das Dach des östlichen Anbaus an der Mühle wird aufgeschlagen. Abends zierte ein Tannenbäumchen und die große Hakenkreuzfahne der Mühle den First.
Im Pfarrgarten sehe ich einen Handwerksburschen vorübergehend arbeiten. So wird ihm in rechter Weise geholfen.
- Bärscheckers Emma pflückt Beeren im Pfarrgarten für ihre Kinder. Noch andere Arme dürfen es.
- Diese Woche weilte Dr. Fritz Groos von Darmstadt hier, um seine Familiengeschichte zu erforschen. Er ist auch ein Förderer unserer Chronik und hat uns insbesondere eine Anzahl von alten Einwohnerverzeichnissen aus dem Staatsarchiv freundlichst vermittelt. (Er ist ein Nachkomme unseres Pfarrers Groos, 1724-1736)
*) "Die Erziehung ist selber Liebe und bildet als Liebe; denn sie bemächtigt sich vorerst des Zutrauens und pflanzt nur auf dem Boden des Zutrauens die schönsten Früchte der Bildung". (Joh. Mich. Sailer)
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von Kornelia Pelz übersetzt
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