Das Zugvieh der Breitscheider Bauern im Wandel der Zeiten
Als Zugtier kam für die Westerwälder Bauern bis zum 30 jährigen Kriege nur das Pferd in Betracht. Fast jeder konnte sich das Halten von Pferden erlauben, weil die Dörfer noch klein waren und darum dem einzelnen Viehhalter ein größerer Anteil an der Nutzung der Gemarkung zukam, als in den letzten Jahrhunderten. Bei der damaligen Feldbewirtschaftung (einjährige Brache des Baufeldes und mehrjährige des Außenfeldes), sowie den noch unvollkommeneren Ackergeräten musste man auch stärkere Zugtiere als heute verwenden.
Die ersten sicheren Nachrichten über den Viehstand im Dillenburgischen vermitteln uns die Viehlisten, die anlässlich einer Schatzung (Steuer) im Jahre 1447 aufgestellt wurden. Der Maischatzung des genannten Jahres zufolge hatte Breitscheid 39 Pferde: 15 Bauern je eins und 12 Bauern je zwei. Nur einige Steuerpflichtige, wie "Scheelhen Styne" (Christine, die Nachkommin des scheelen Henn) und "Heyntz, der snyder" (Schneider), "Weydebach, deß pristers knecht" und andere, hatten kein Pferd.
Diese Viehlisten führen noch keine Ochsen auf. Solche erscheinen erst im 17. Jahrhundert. Ihre Einführung wurde besonders durch den großen Krieg begünstigt. Im Jahre 1640 kam ein kaiserliches Kommando von Dillenburg aus über Breitscheid, nahm daselbst den Bauern einige Pferde mit Gewalt fort und verschwand in westlicher Richtung auf Nimmerwiedersehn. Es ist begreiflich, wenn die Breitscheider nun statt der Pferde Ochsen einstellten, die einen feindlichen Reiter weniger zu reizen vermochten.
In den nun folgenden Jahrhunderten wurden sowohl Pferde als auch Ochsen als Zugtiere verwandt. Nach dem siebenjährigen Kriege soll die Pferdezucht weiter in Abgang gekommen sein. 1766 hatte Breitscheid einen Ochsen und 1779 auch noch einen Pferdehirten.
Hier und da müssten auch Kühe zum Ziehen verwendet worden sein, denn im Jahre 1772 verbot die Regierung ihre Benutzung zum Fahren und Pflügen. Es geschah dies aber nicht aus Mitleid mit dem schwachen weiblichen Geschlecht, sondern aus steuerlichen Gründen. Die Regierung fürchtete Einbuße an Dienstgeld, das nur von Pferden erhoben wurde. Als deren dienstgeldpflichtiger Ersatz galten wohl Ochsen, nicht aber Kühe.
Anfangs des vorigen Jahrhunderts war die Pferdezucht auf dem Westerwald schon sehr zurückgegangen. Im Jahre 1804 hatte Breitscheid nur noch 9 Pferde, hingegen 58 Ochsen. Mit dem Pferdereichtum auf dem Westerwald war es vorbei, und heute erinnern nur noch Flurnamen wie "Pferdeweide", "Pferdswinkel", "Stuterei" (bei Driedorf), " bei der Pferdehütte" (Willingen) und andere daran. Heute sagt man "Gaul" statt "Pferd"; der Name hat also gewechselt.
Es kamen die napoleonischen Kriege, denen Jahrzehnte der Not und
übersetzt von Kornelia Pelz
seite-371 - seite-373
|