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Die Ortschronik von Reinhard Kuhlmann - Seite 384

zur Hinrichtung zu begleiten, und er hatte graue Haare dabei bekommen, weil er bei seinem seelsorgerischen Umgange mit ihnen die Überzeugung gewonnen hatte, daß sie unschuldig waren. Er schreibt in seinem Buche weiter: "Wenn der Anfang des Folterns gemacht ist, so ist das Spiel gewonnen, sie muß bekennen, sie muß sterben. Nun möchte ich (weiß Gott!) gerne wissen, weil sowohl die, so nicht bekennt, als auch welche bekennt. Hexen sein und sterben müssen, wie doch ein Mensch, er sei so unschuldig, wie er immer wolle, sich allhier retten könne, oder wolle? O, du elende Gaja! Worauf hast du doch gehofft? Warum hast du nicht, sobald du das Gefängnis betreten, gesagt, du wärest des Lasters schuldig? O du thörichtes Weib!... Folge meinem Rat und sage stracks zu, du seiest eine Hexe und stirb! Denn vergebens hoffest du, los zu werden". - Hören wir auch einen heutigen Gelehrten, den Oberarchivrat Dr. Solleder in München, welchen Eindruck das Studium der Hexenakten auf ihn gemacht hat: "Wund am Körper, wirr im Geiste, voll stumpfer Verzweiflung im Herzen, bejaht das unschuldige unglückliche Opfer des Hexenwahnwitzes die suggestiven Fragen seiner aller menschlichen Regungen barer Richter nach Teufelsbündnis und Teufelsbuhlschaft, nach Genossen und Gespielinnen, nur um der endlosen Wiederholungen der unmenschlichen Folterqualen zu entrinnen. Keine Standhaftigkeit, kein Widerruf kann retten; Geständnis und Scheiterhaufen oder Verschärfung und Verlängerung der Leiden, das ist ihr Los".

Bei unserer Jochem Mergen wird die "gutwillige Bekantnus" besonders betont. Sie war die Klügste von allen. So entging sie wahrscheinlich der Folter. Einmal heißt es von ihr: sie "bejahet es tüchtig". Und ein andermal: "bejahet es; die gemein bezeuget daß dieses wahr sey". Die Gemeinde konnte doch nur bezeugen, daß dem Joh. Weller ein Kind gestorben sei. - "Weiels Anna dhut ihr Bekantnus in gegenwart ihres Pfarrers". Es war der Pfarrer Gottfried Heidfeld, der sonst so gelehrte Mann, der nachher Professor an der Hohen Schule zu Herborn wurde. Wir hören nicht, daß er etwas zur Verteidigung und Rettung der Frauen unternommen hat. Was hätte auch ein Einzelner inmitten des Prozeßverfahrens gegen die verblendeten Richter ausrichten können! Unser Pfarrer glaubte noch an einen leibhaftigen Teufel wie sein Vorgänger Hermanny der auf dem Wege von der Hühnerkaut nach dem Elgersberg (?) eine Disputation mit dem Teufel gehabt haben will. So standen die Pfarrer auch nicht über ihrer Zeit. Sie waren eben von dem Hexenwahn befallen, geistig angesteckt, wie alle andern. Größeren Männern als ihnen hatte es nicht gedämmert. Die Reformatoren, die die protestantische Kirche gründeten, hatten gegen diesen Unglauben nicht protestiert, sondern ihn als schlimmes Erbe von der Papstkirche übernommen und beibehalten. In diesem Punkte bestand leider eine verhängnisvolle Übereinstimmung zwischen den sich sonst bis aufs Blut bekämpfenden christlichen Bekenntnissen. - Christliche Religion, sanfte und versöhnende Lehre Jesu, was hatte man aus dir gemacht?! Die größte Geißel der Menschheit! Es gilt auch von dir, was eine geistvolle Frau angesichts der Greuel der französischen Revolution von der Freiheit sagt: Welche Verbrechen hat man in deinem Namen begangen!

Rücken wir nun noch ein freundliches Bild an den Schluß! Einer aus Breitscheid bittet den Schultheißen zu Herborn "zum fleißigsten und höchsten", daß ja das Holz für die Hinzurichtenden (falls sie verbrannt werden sollen) "nicht zu Breidscheit möge bey ihren traurigen Hausgenossen und Kindern abgeholt werden". Er vergegenwärtigt sich den ungeheuren Seelenschmerz für die Kinder, wenn sie denken müssen: "Jetzt laden sie auf unserm Holzplatz das Holz auf, auf welchem unsere liebe Mutter verbrannt wird!" Für seine "Base Anna (Weyel) und liebe Gevattersche" legt er dann noch besondere Fürbitte ein. - Hoch klingt dies Lied von einem braven Manne in Breidscheid, wert, daß es auch unsere Schulkinder hören, wenn sie überhaupt mit dem Hexentum behelligt werden sollen. Noch einmal sei es gesagt: "Was lieblich ist, was wohl lautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach." Die dunklen Täler der Geschichte soll die Jugend nur wie aus der Ferne in großen Umrissen erschauen; man durchwandere sie nicht mit ihr. Lieber führe man sie durch Sonnenschein und Vogelsang zu blühenden Wiesen und grünen Wäldern.

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von Kornelia Pelz übersetzt

 

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zitiert aus dem "Herborner Tageblatt"

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