Zur Besiedelung der Heimat *)
Wann sind die Ortsgründungen erfolgt?
Wer danach ringt, dass ihn die Vergangenheit der Heimat zum Erlebnis werde, der möchte auch gern über die Anfänge ihrer Geschichte unterrichtet sein, insbesondere über die Zeit und die näheren Umstände ihrer Besiedelung. Aber wir sind nicht so glücklich, bezüglich der Dörfer unserer Gegend etwas Sicheres darüber zu wissen.
Die ersten Jahrhunderte ihres Daseins liegen in geschichtslosem Dunkel; keine Urkunde gibt uns Aufschluss über diese Frühzeit. Doch sind die Geschichtsforscher nicht ohne jeglichen Anhalt, wenn sie diese Fragen aufzuhellen suchen. Wo urkundliche Nachrichten fehlen, da leistet oft die Sprachforschung der Geschichtswissenschaft gute Dienste.
So hat man aus den Ortsnamen den Schleier zu lüften gesucht, der über den dunklen Anfängen der Ortsgründungen liegt. Den Namen des Ortes haben die Ansiedler aus ihren Stammländern mitgebracht oder doch aus Teilen ihres Sprachschatzes neu gebildet. Nach den Endungen der Ortsnamen hat W. Arnold nun eine gewisse Aufeinanderfolge in den Ortsgründungen großer Teile Deutschlands festzustellen gesucht. Seine Annahmen treffen für unsere Gegend im großen und ganzen zu.
Vergleichen wir die Namen der Orte, welche unmittelbar an der Dill liegen, mit denen der übrigen Ortschaften der ehemaligen Herborner Mark, so finden wir, dass sie anderer Art sind als die letzteren. Wir haben es bei ihnen entweder mit einfachen Namensformen zu tun, wie Scheld, Burg, Sinn (alte Form Sinch), oder doch mit solchen zusammengesetzten Wörtern, bei welchen das Grundwort in der Endsilbe nicht mehr deutlich zu erkennen ist, wie in "Haiger" (alte Form, 788, Haigraha, Endung aha - Wasser) und "Herwern (1231 geschrieben Herberen), wo die Mundart des Volkes das Wort richtiger bewahrt als das künstlich frisierte "Herborn", bei welcher Bildung wohl Annahme und Wunsch walteten, ein Born, vielleicht eine Heilquelle, könnte und möchte die Veranlassung zur Namensgebung gewesen sein.
Es liegen also hier Namen vor, die sich deutlich von allen andern der Gegend (Bicken ausgenommen) abheben und wegen ihrer altertümlichen Form auf ein hohes Alter schließen lassen. Würden es aber die Namen nicht verraten, so würde uns die einfache Überlegung, dass in einer Gegend die Flussniederungen doch zuerst besiedelt worden sind, zu dem selben Ergebnis führen. Hier haben wir also die ältesten Siedlungen der Heimat vor uns. Geheimrat Dr. Wagner, ein Freund der Herborner Mark, der sich mit Liebe in ihre Geschichte vertieft hat, sagt in seinem Aufsatz: "aus Herborns Frühzeit", er würde sich nicht wundern, wenn bei Grabungen in und um Herborn Reste aus der Laténezeit (vor Christi Geburt) zutage treten würden, die auf eine Ansiedlung in vorgermanischer Zeit schließen ließen.
Abseits der Dill, rechts sowohl als links, bieten die Ortsnamen ein anderes Bild. Es sind (mit Ausnahme von Roth und Bicken) zusammengesetzte Namensformen mit deutlichen, der heutigen Sprache noch angehörigen Grundwörtern am Ende: -hofen, -bach, -dorf p.p. Wir stehen jüngeren, planmäßigen Siedlungen gegenüber, die erst in einem gefestigten Staatsverband möglich waren, wo die Sesshaftwerdung der Bewohner vor sich gehen konnte. Sie gehören der Zeit nach der Völkerwanderung an, als die Franken Herren des Landes geworden waren.
"Zu einer Zeit im 6. 7. oder 8. Jahrhundert wurden auch im Dilltal ... Marken abgesetzt, und für den König des Frankenreichs in Beschlag genommen ... . In der Wildnis wurden mehr oder weniger große Bezirke für den König ausgeschieden .... . Ein solcher Bezirk war ... die Haigerer Mark mit ihrem Königshof in Haiger, die Siegener Mark und die Herborn (mark)... . Herborn wird der Hauptort gewe-
*) (Eine Ausführliche Abhandlung hierüber siehe im "Heimatbuch von Breitscheid".)
seite-7 - seite-9
von Kornelia Pelz übersetzt
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